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Der Schwimmer: Roman (German Edition)

Der Schwimmer: Roman (German Edition)

Titel: Der Schwimmer: Roman (German Edition)
Autoren: Zsuzsa Bánk
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nicht aufgefallen, er habe es nicht bemerkt, einfach nicht bemerkt, und niemand staunte, als Isti sagte, er habe sie übers Wasser laufen sehen, seine Mutter, und er habe ihr bloß folgen wollen. Nur Zsófi flüsterte, es sei das Fieber, und später sagte sie zu Pista, eine Ahnung hätte sie gehabt, ein Gefühl, nicht nur an diesem Tag, sondern immer schon, und als sie das sagte, drehte sich mein Vater zu ihr, sah sie an, mit einem Blick, den ich nicht kannte an ihm, und fragte, was meinst du damit, Zsófi: eine Ahnung?

    Isti fing an, so zu husten, daß unser Vater durchs Haus brüllte, warum gebt ihr ihm nichts gegen diesen Husten. Isti versprach, weniger zu husten, leiser, und als unser Vater das Zimmer verließ, fragte mich Isti: was ist mit ihm, warum ist er so wütend? Als sich das Dunkle unter Istis Augen veränderte, schickte Zsófi ein Telegramm an den See, das sie uns nicht lesen lassen wollte, und Ági, Zoltán und Virág nahmen das nächste Schiff, den Zug, den Bus, und es paßte nicht, sie hier zu sehen, in dicken Mänteln, Mützen und Stiefeln, wo sie doch in den Sommer, an den See gehörten und nicht hierher, auf Zsófis Hof, zwischen Traktoren und Beete, oder in Zsófis Küche, wo sie jetzt auf Jenős Foto schauten und nebeneinander vor der Kredenz standen, als wüßten sie nicht wohin, als seien sie falsch hier. Virág sagte, im Sommer besucht ihr uns wieder am See, und du, Anikó, du kommst auch, und sie sagte es mit dieser leichten hellen Stimme, aber es klang nicht leicht und hell, es klang, als glaubte sie gar nicht daran, daß wir sie besuchen würden, diesen Sommer. Zoltán legte den Mantel ab, zog die Stiefel aus und ging ins Zimmer, und weil Isti schlief, flüsterte er, dieser Junge, ich kenne ihn, was ist mit ihm?, und mein Vater sagte, natürlich kennst du diesen Jungen, es ist Isti, in deinem Haus hat er gewohnt, und dann schauten alle zu Boden, und Zoltán erwiderte, ach so, es ist Isti, er hat in meinem Haus gewohnt.

    Wir saßen vor Istis Bett, wir taten nichts anderes mehr. Wir vergaßen die Arbeit, die Tiere, den Hof, die Traktoren, wir vergaßen sogar zu essen. Ági holte Stühle für uns, Pista und Zoltán schoben den Tisch mit dem Wasserglas und der Schüssel heran, die Liege, auf der ich schlief, und Schemel und Hocker für unsere Füße. Sie richteten alles so ein, daß wir nicht mehr wegmußten von Isti, daß wir bleiben konnten, um ihn anzuschauen, ganz gleich, was geschah, ganz gleich, was er tat, ob er die Augen öffnete oder schloß, ob er atmete oder einen Moment lang nicht atmete. Nur mich schickten sie hin und wieder in die Küche, weil ihnen einfiel, daß ich Isti so nicht sehen sollte, und ich kam zurück mit Dingen, die wir gesammelt hatten, in Schuhkartons, die Anna uns gegeben hatte, und legte sie auf den kleinen Tisch neben die Schüssel oder auf Istis Kissen: Steine, Federn, Glasscherben, und dann sagte ich zu Isti, da, deine Glasscherben, und Isti hob sie hoch und legte sie wieder zurück, als wollte er mir diesen einen Gefallen tun. Manchmal schliefen wir ein, aus Erschöpfung, weil es Nacht wurde, weil der Morgen kam, manchmal gleichzeitig, manchmal nacheinander, mein Vater auf dem Stuhl, das Kinn auf der Brust, die Arme auf der Lehne, Virág neben Isti auf dem Bett, ihr Kopf neben seiner Hand, ihre Hand auf dem Federbett, als wollte sie ihn umarmen, Anikó und Zoltán auf dem Boden, zwischen Staubflocken, mit angezogenen Knien, Ági neben mir auf der Liege, ihre kalten Hände über Kreuz in die Achseln geklemmt, ich, mit dem Kopf an Ágis Rücken, und Zsófi im Stehen, im Türrahmen, wo sie blieb, damit sie beide sehen konnte: Isti im Bett und Jenő hinter den Kerzen.

    Istis Finger wurden blau, und Ági und Virág fingen an, sie zu reiben, diese blauen Finger. Virág zog ihren Ring aus, legte ihn in ein Schälchen neben Istis Bett, und wir hörten, wie der Ring auf dem Porzellan zitterte, vielleicht ein, zwei Sekunden lang. Ági sagte zu Isti, er solle sein Köpfchen für sie heben, nur einmal, damit sie sein Kissen austauschen könne, aber Isti konnte es nicht heben, und Ági sagte, gut, du brauchst es nicht, wir lassen es einfach so, wie es ist, du brauchst es nicht zu heben, wir lassen es einfach so. Mein Vater trat einen Schritt zurück, fing an zu reden, mit Zoltán, ausgerechnet mit Zoltán, und er sagte: mein Sohn kann seinen Kopf nicht mehr heben, und Zoltán wiederholte, ja, dein Sohn kann seinen Kopf nicht mehr heben.

    Zsófi gab Pista ein Zeichen,
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