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Der schwarze Obelisk. Geschichte einer verspäteten Jugend

Der schwarze Obelisk. Geschichte einer verspäteten Jugend

Titel: Der schwarze Obelisk. Geschichte einer verspäteten Jugend
Autoren: Erich Maria Remarque
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beschrieben. Ein vielleicht ›prophetisch‹ zu nennendes Bild Remarques? Denn der Obelisk ist mit den Worten des Autors der »dunkle Ankläger«, den »ja bereits zwei Generationen von Krolls«, d. h. von Grabsteinhändlern, die für die Toten Mahnmale verschachern, nicht »verkaufen haben … können.« Das ›Raketen-Grabsteinlager‹ der Toten-Gedenker über zwei Generationen ist jetzt auch wieder in der dritten Generation (so belegt der Vorspruch des Romans) gut gefüllt. Somit klagt der »dunkle« Obelisk die vom Rüstungswahn befallenen Menschen vor dem »Himmel«, auf den der Obelisk drohend verweist, solange an, bis er vielleicht eines Tages doch ›verkäuflich‹, d. h. ›abrüstbar‹ erscheint? Mir scheit dies eine zulässige Assoziation, wenn man dem Hauptanliegen des Autors, der Warnung vor der nächsten Kriegskatastrophe, folgt.
      Der Erzähler des Romans, der wohl zugleich als der seine Leser direkt ansprechende und mahnende Autor Erich Maria Remarque zu begreifen ist, erinnert mit bitter-sarkastischer Ironie im Vorspruch des Buches an seine Erfahrung der Unbelehrbarkeit deutscher Mitmenschen in den frühen 20er Jahren. Als Teilnehmer am Ersten Weltkrieg hatte ihn das Kriegserleben zum unbedingten und in dieser Frage zu keinen Kompromissen bereiten Friedensfreund gemacht, wie seine Romane Im Westen nichts Neues (929) und Der Weg zurück (93) bezeugen. Deshalb blendet der Autor/Erzähler zurück zu den sagenhafen Jahren, als die Hoffnung noch wie eine Flagge über uns wehte und wir an so unverdächtige Dinge glaubten wie Menschlichkeit, Gerechtigkeit, Toleranz – und auch daran, daß ein Weltkrieg genug Belehrung sein müsse für eine Generation. Die Pest des Faschismus und der Verbrechen des Zweiten Weltkriegs sind aus der »Tiefe der deutschen Reichsgründung von 87« hervorgegangen, aus dem Großmachtstreben und der Rechthaberei, vielleicht auch aus einer verdeckten Katastrophensehnsucht der schwerblütig-metaphysisch träumenden, der kompromiß- und alltagsunwilligen, der immer so grundsätzlich und kaum je pragmatischen, sich für groß haltenden Deutschen.
      In dem eingangs genannten XI. Kapitel geraten die Brüder Georg Kroll, der lebensfreudige Realist und Liberale, und Hein rich Kroll, der verbissene Nationalist und gläubige Revanchist – gemeinsam Inhaber der »Grabdenkmalfirma Heinrich Kroll & Söhne« – über den Totschlag des Arbeiters bei der Einweihung des Kriegerdenkmals in Wüstringen in den hefigsten Streit über die Allgemeingültigkeit der Humanität einerseits und die nationale Frage andererseits. 2 Georg beklagt, daß in Wüstringen »ein Leben untergegangen«, »eine Welt für jemand zerstört worden« ist. Und er fährt fort:
       Jeder Mord, jeder Totschlag ist der erste Totschlag der Welt.
       Kain und Abel, immer wieder! Wenn du und deine Genossen
       das einmal begreifen würden, gäbe es nicht so viel Kriegsge
       schrei auf dieser an sich gesegneten Erde!
    Darauf Heinrichs wutverzerrte Antwort:
    Sklaven und Knechte gäbe es dann! Kriecher vor dem un
    menschlichen Vertrag von Versailles!
      Das gibt Georg Gelegenheit, Heinrich die aggressiven Kriegsziele des Deutschen Reichs vorzuhalten:
       Hätten wir den Krieg gewonnen, dann hätten wir unsere
       Gegner natürlich mit Liebe und Geschenken überhäuf, was?
       Hast du vergessen, was du und deine Genossen alles annek
       tieren wollten? Die Ukraine, Brie, Longwy und das gesamte
       Erz- und Kohlenbecken Frankreichs? … Frankreich sollte ein
       Staat dritten Ranges werden, riesige Stücke Rußlands mußten
       annektiert werden, und alle Gegner hatten zu zahlen und
       Sachwerte abzuliefern bis zum Weißbluten!
      Abschließend richtet sich Georgs ganze Empörung gegen die Selbstgerechtigkeit, das »Selbstmitleid« und das »Rachegeschrei« der nationalen »Pharisäer«, die nicht bereit sind, einzustehen für das, was sie angerichtet haben.
      Diese anscheinend unbeirrbare Selbstgewißheit, die Ludwig Bodmer auch im unerschütterlichen Glauben des Pastors Boden diek sieht und die er bei dem kühl kalkulierenden Wissenschafler und Arzt Wernicke erfährt, diese Art, »recht zu haben, ist jedesmal ein Schritt dem Tode näher«, wie er sagt. Bodmer fährt fort:
    Wer immer recht hat, ist ein schwarzer Obelisk geworden. 3

    II.

    Der »verdammte Obelisk« wurde »vor 60 Jahren bei der Gründung des Geschäfs« vom Firmengründer Heinrich Kroll
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