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Der schwarze Obelisk. Geschichte einer verspäteten Jugend

Der schwarze Obelisk. Geschichte einer verspäteten Jugend

Titel: Der schwarze Obelisk. Geschichte einer verspäteten Jugend
Autoren: Erich Maria Remarque
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Obelisken nach seiner Aufstellung zur neuen Bestimmung nicht mehr findet, so mutmaßt Bodmer, wird »seine Welt … für ihn einstürzen« 23 , die alte Welt des Kaiserreiches, die der SS-Welt weichen muß. Als Gerda Schneider Ludwig zum ersten Mal besucht, verharrt sie angesichts des Grabsteinlagers neben dem Obelisken »und blickt auf unser Golgatha«, wie Ludwig Bodmer formuliert. 24
      Die »Grabdenkmalsfirma Heinrich Kroll & Söhne«, im ersten Satz des Romans so benannt, mit einem Firmengründer, der den Vornamen des faustischen deutschen Übermenschen trägt und der diesen an seinen national gesonnenen Sohn weitergegeben hat, mit dem Obelisken »Otto« als Anführer der »Kompanie« der Grabdenkmäler, erlaubt dem Leser die Assoziation mit der deutschen Reichsidee. Ludwig Bodmer, der viele biographische Züge Remarques trägt, verweist nicht ohne Grund auf die »Schädelhöhe« des Neuen Testaments und den Kreuzigungsort Christi, den Ort, an dem der »Frieden der Welt« auf grausame Weise zu Tode gemartert wurde und immer noch wird. Entsprechend heißt es im Vorspruch:
       Den Frieden der Welt! Nie ist mehr darüber geredet und nie
       weniger dafür getan worden als in unserer Zeit; nie hat es
       mehr falsche Propheten gegeben, nie mehr Lügen, nie mehr
       Tod, nie mehr Zerstörung und nie mehr Tränen als in un
       serem Jahrhundert, dem zwanzigsten, dem des Fortschritts,
       der Technik, der Zivilisation, der Massenkultur und des
       Massenmordens.
    Das zwanzigste Jahrhundert – »unser Golgatha«?

    III.

    Der schwarze Obelisk trägt den Untertitel Geschichte einer verspäteten Jugend. Es geht offenkundig um die Jugend des Protagonisten Ludwig Bodmer und zugleich des Autors Erich Maria Remarque, denen die eigentliche Jugend durch die bittere Erfahrung des Ersten Weltkriegs genommen wurde. Es geht um das Denken, Fühlen und Handeln bzw. Nicht-Handeln der ›verlorenen Generation‹, über die Remarque in allen seinen Romanen der zwanziger Jahre anklagend, aber zugleich resignativ berichtet. Frühe Entwürfe zu einzelnen Szenen für den erst 956 erschienenen Roman finden sich in Nachlaßmanuskripten vom Ende der zwanziger, Anfang der dreißiger Jahre, parallel zu Manuskripten zu Drei Kameraden. Der Roman aus dem Jahre 923, der eine nahtlose Folge zu Der Weg zurück gewesen wäre, war als Fortsetzung geplant. Aus welchen Gründen auch immer blieb diese Idee liegen, als Remaque dann die Berliner Phase seiner Biographie in Drei Kameraden verwendete. Von dem Titel Der schwarze Obelisk gibt es allerdings noch keine Spur.26 Die Übereinstimmung zwischen dem Lebenslauf des Autors und der Biographie des Helden Ludwig Bodmer ist allzu offenkundig. Bodmer war »siebzehn«, als er in den Krieg »hineinging«, jetzt (923) ist er »fünfundzwanzig«. Genau wie Remarque, der 898 geboren wurde. Bodmer wurde verwundet, nicht lebensgefährlich, und kam ins Hospital, genau wie Remarque. Er wurde »schließlich Schulmeister«, seine »kranke Mutter hatte das gewollt«, und er »hatte es ihr versprochen, bevor sie starb«, und zwar vor Kriegsende. Bodmer machte trotzdem seine Lehrerprüfung nach dem Kriege »und wurde auf ein paar Dörfer in der Heide geschickt«, bis er »genug davon hatte, Kindern Sachen einzutrichtern«, an die er »selbst längst nicht mehr glaubte«. 28 Das liest sich fast wie ein authentischer autobiographischer Bericht des Autors. Die Beispiele ließen sich vielfältig vermehren. Am
    6. August 956 schreibt Remarque an seinen Verleger: Für den Publicity Vermerk auf dem Buchumschlag ist es vielleicht interessant, daß ich während der Inflation in einem Grabdenkmalsgeschäf gearbeitet habe und auch einige Zeit Organist an einer Irrenanstalt war. 2 Remarque wollte also durchaus den Hinweis auf sein eigenes Leben für die Buchwerbung.
      Die Stadt »Werdenbrück« im Roman ist das kaum verhüllte Osnabrück der zwanziger Jahre, allerdings ein »dunkles Spie gelbild«, wie H.-G. Rabe meint. Die Osnabrücker lesen den Roman auch heute immer noch als einen ›Schlüsselroman‹ über ihre Stadt und ihre Bürger – und das mit Recht. Hier sei nur ein Beispiel genannt: Eduard Knoblochs Vorbild hieß Eduard Petersilie und war Hotelier des im Zweiten Weltkrieg zerstörten »Hotel Germania« (nicht des »Walhalla«, eines noch heute in Osnabrück existierenden Hotels in der Altstadt). Wie im Roman im nach dem germanischen Götterhimmel benannten »Walhalla«, so dichtet
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