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Der schwarze Obelisk. Geschichte einer verspäteten Jugend

Der schwarze Obelisk. Geschichte einer verspäteten Jugend

Titel: Der schwarze Obelisk. Geschichte einer verspäteten Jugend
Autoren: Erich Maria Remarque
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mit seinem Abschied von Osnabrück und dem später folgenden Exil endgültig alles das, wofür der Obelisk steht, hinter sich läßt, um der Welt des Smokings zukünfig mehr zugetan zu sein als einem Deutschen Reich von der humorvoll und satirisch-bitter beschriebenen Art des Vaterlands des Autors.

    IV.

    Remarques Romane der fünfziger Jahre (Der Funke Leben, 952 – Zeit zu leben und Zeit zu sterben, 954 – Der schwarze Obelisk, 956) bemühen sich um die Aufarbeitung deutscher Geschichte mit der Intention, die Leser zu einem wirklichen Neuanfang zu bewegen. Sie lesen sich zugleich auch als ständige Überprüfung der Grundgesetzwirklichkeit der neuen Republik und der Verankerungen der Menschenrechte an der Spitze der Verfassung im Umgang mit der Bewältigung der Vergangenheit.
      Remarques Mittel, die Schilderung der Vergangenheit als Prüfstein für die Gegenwart zu verwenden – aus deren Differenz sich die Aufgaben der Zukunf herleiten – wird besonders deutlich in Der schwarze Obelisk.
      Im letzten Kapitel berichtet der Ich-Erzähler aus der Sicht von «heute, 0 Jahre nach dem Zusammenbruch der Nazis», das heißt aus der Sicht des Jahres 955. Dieser Roman trägt zudem, zum zweiten Mal nach Im Westen nichts Neues, einen Vorspruch. Dort gibt Remarque die Position des bloßen Berichterstatters auf und appelliert nachdrücklich an seine Leser mit einer unüberhörbaren Warnung vor der möglichen Wiederholung der Geschichte.
      Diese Warnung, die Remarque Mitte der fünfziger Jahre niedergeschrieben hat, geht einher mit der Bestandsaufnahme der Entwicklung der Bundesrepublik aus seiner Sicht. Trotz des Neubeginns mit einem die Erwartungen Remarques erfüllenden Grundgesetz im Hinblick auf Menschenrechte und Menschenwürde, unterblieb die von ihm schon früh geforderte Aufarbeitung der Vergangenheit. 39 So heißt es noch in einem Brief vom 5. Juni 96 an seinen Verleger: Zunächst eimal völlig reinen Tisch zu machen – leeren Tisch – und dann vorsichtig prüfend und noch einmal prüfend an alles heranzugehen, das scheint mir keine schlechte Grundlage zu sein. 2 In dem einzigen Romantext Remarques, den er deutlich auf einen Zeitraum 0 Jahr nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs datiert, das heißt im Schlußkapitel des Schwarzen Obelisken, sieht Remarque nichts von der Bereitschaf, »völlig reinen Tisch zu machen« und wirklich neu anzufangen.
      Er schildert, wie die ›Liberalen‹ wie Georg Kroll und die einfachen Arbeiter wie Kurt Bach in der Nazizeit ermordet oder zum Krüppel gemacht wurden. Lakonisch zählt er die Opfer des neuen «Golgatha» auf:
       Wernicke … fiel 944, Willy fiel 942, Otto Bambuss 945,
       Karl Kroll 944. Lisa wurde bei einem Bombenangriff getötet.
       Ebenso die alte Frau Kroll.
    Im Kontrast hierzu spricht er von den »Pensionen und Scha
    denersatzabfindungen, die an Generäle, Kriegsverbrecher und hohe frühere Parteibeamten gezahlt werden«. Erfährt fort:
       Heinrich Kroll, der gut durch die Zeit gekommen ist, sieht
       darin mit viel Stolz einen Beweis für das unerschütterliche
       Rechtsbewußtsein unseres geliebten Vaterlandes. 40
      Der sarkastisch-satirische Ton Remarques über das »unerschütterliche Rechtsbewußtsein« in Deutschland ist das Ergebnis der Negativbilanz, die Remarque in Sachen Aufarbeitung der NSZeit Mitte der fünfziger Jahre ziehen mußte. In dem einzigen ausgesprochen politischen Artikel, den Remarque publiziert hat, »Be Vigilant« (Seid wachsam) 4 , erschienen 956 im gleichen Jahr wie Der schwarze Obelisk, zitiert er diesbezügliche Skandalfälle aus der Basler Nationalzeitung, einem seriösen Blatt, wie er ausdrücklich anmerkt (»Der Bonner Rehabilitationsskandal«).
      Remarques Versuch, auf die ungebrochene Kontinuität des ›milden‹ Umgangs mit nationalsozialistischen, später nazistisch eingestellten Tätern von Weimar bis in die Nachkriegszeit der Bundesrepublik hinzuweisen und an das überwiegend konservative »unerschütterliche Rechtsbewußtsein« zu erinnern, wird immer wieder deutlich in seinen Schrifen der fünfziger Jahre.
      Mit Der schwarze Obelisk, so scheint es, erkennt Remarque das Scheitern seines auflärerischen Programms und resigniert. Die Bilanz des ersten Nachkriegsjahrzehnts im Schlußkapitel von Der schwarze Obelisk ist negativ. Daher die Mahnung, ein letzter Versuch, mit erhobenem Zeigefinger auf das Versäumte und Drohende aufmerksam zu
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