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Der schwarze Mustang. Erzählungen, Aufsätze und offene Briefe

Der schwarze Mustang. Erzählungen, Aufsätze und offene Briefe

Titel: Der schwarze Mustang. Erzählungen, Aufsätze und offene Briefe
Autoren: Karl May
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lassen, wo er sich, da man ihn nicht kannte, für einen Verwandten Selims ausgab. Dieser letztere kaufte über fünfhundert echte Ballasi und dazu die billigen Palmfasernetze, welche zur Herstellung des Floßes nötig waren. Diese Ausgabe verschlang die ganze Barschaft, welche er besaß. Er wollte das Floß, welches auf die einfachste Weise hergerichtet wurde, wie gewöhnlich ganz allein nach Kairo steuern, doch kaufte der Effendi ihm Matten zur Bedeckung der Krüge und sogar einen Mast mit dem gebräuchlichen Seil-und Segelwerke.
    Noch während Selim Ben Nuba mit Hilfe einiger Fellahs an der Zusammensetzung des Floßes arbeitete, kam der Sandal seines Nachbars an und legte sich ganz in der Nähe vor Anker; dennoch würdigte Sadok Omar den Nubier keines Grußes und scheinbar selbst nicht einmal eines Blickes. Er war übrigens fast reich gekleidet, während Selim der herrschenden Hitze halber und auch aus Sparsamkeitsrücksichten nur den hier gebräuchlichen Lendenschurz trug. Der Effendi hatte sich am hohen Ufer ganz einsam unter einen Akazienstrauch gelegt, von welchem aus er alles leicht und gut beobachten konnte.
    Sadok Omar verließ das Schiff, um mit seinem hiesigen Geschäftsfreunde über den Preis und die Uebergabe der Schmuggelwaren zu verhandeln. Die Bemannung des Sandal ging auch von Bord, um ein Kaffeehaus aufzusuchen. Der als Matrose verkleidete Polizist sonderte sich von ihnen ab, denn er hatte seinen Effendi bemerkt, mit dem er sprechen mußte. Er stieg zu ihm hinauf und meldete:
    »Herr, ich habe nun alles erfahren, mehr, weit mehr, als ich erwarten konnte. Ich schmeichelte mich bei Sadok Omar ein, und er hat mir sein Vertrauen geschenkt, weil er mich für einen eben solchen Menschen hält, wie er selbst einer ist. Er hat mich als Harrabi (Schmuggler) in seinen Dienst genommen.«
    »Als Harrabi?« fuhr der Muchtessib auf. »Er schmuggelt sogar?«
    »Ja. Er hat viele Krüge voll zollpflichtiger Waren an Bord, und ich soll heut abend beim Ausladen derselben helfen. Wenn wir damit fertig sind, werden die Flöße umgewechselt.«
    »Die Flöße? Welche?«
    »Wir haben unechte Krüge auf dem Schiffe; Selim Ben Nuba aber hat echte gekauft. Unsre Krüge sind von derselben Größe wie die seinigen. Wir können also ein Floß bauen, welches ganz genau dem seinigen gleicht. Dann schaffen wir in der Dunkelheit seine Matten, seinen Mast und sein Segel auf unser Floß und hängen dieses an diejenige Uferstelle, an welcher jetzt sein Floß angebunden ist. Er wird nichts bemerken und mit den unechten Krügen nach Kairo fahren. Er kann erst dort den Umtausch erfahren und hat nur die Wahl, die Krüge entweder als Ballasi oder ehrlich als unechte zu verkaufen. Im ersteren Falle zeigt ihn Sadok Omar bei dir an, und in letzterem hat er einen Verlust, an welchem Falle er zu Grunde gehen muß; in beiden Fällen ist er verloren.«
    Da sprang Mustapha Effendi vom Boden auf, ballte beide Fäuste und rief ergrimmt:
    »Wallahi mahul – bei Gott, das ist entsetzlich! Kann es solche Menschen geben? Dieser ehrliche Nuba soll betrogen, ja, soll zum Verbrecher gestempelt werden? Und meiner, meiner will man sich bedienen, ihn zu vernichten! Vorher aber will ich ein Wort mit dem Bösewicht sprechen, und was für ein Wort! Er dünkt sich seiner Sache sicher, denn er weiß, daß wegen der Gefahr der Augenentzündung am Nil kein Mensch im Freien schläft; darum meint er, daß Selim Ben Nuba sich während der Nacht nicht auf seinem Floße befinde und dieses also unbewacht sein wird. Aber er soll sich irren. Wann will er von hier abfahren?«
    »Mit dem echten Floße morgen früh, nachdem er die Bescheinigung erhalten hat, daß er hier gewesen ist. Der Sandal aber geht schon vorher nach Kairo zurück.«
    »Gut! Um ihn desto strenger bestrafen zu können, lasse ich ihm Zeit, sein Vorhaben vollständig auszuführen; dann aber ist er mir verfallen. Du wirst ihn bedienen, bis alles beendet ist. Jetzt kannst du gehen. Man soll uns nicht länger bei einander sehen.« –
    Selim Ben Nuba hatte sein Floß bis zum Anbruch des Abends fertig gebracht; dann begab er sich in die Hütte eines Fellah, der ihm geholfen hatte, um dort zu schlafen. Einige Zeit später entwickelte sich am Wasser ein geheimnisvolles, aber lebhaftes Treiben. Krüge und Netze wurden aus dem Schiffe an das Ufer gebracht, um dann zu einem Floße vereinigt zu werden, welches mit demjenigen des Nubiers vertauscht wurde. Dann mußten alle Matrosen sich in den Sandal zum Schlaf
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