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Der schwarze Mustang. Erzählungen, Aufsätze und offene Briefe

Der schwarze Mustang. Erzählungen, Aufsätze und offene Briefe

Titel: Der schwarze Mustang. Erzählungen, Aufsätze und offene Briefe
Autoren: Karl May
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herziehend, uns entgegengerudert und gab uns mit der Hand das Zeichen, daß er mit uns reden wolle. Der Kapitän ließ stoppen. Er selbst verstand einige Dialekte hiesiger Völkerschaften und mehrere seiner Untergebenen wieder andre Mundarten, so daß wir uns mit ihrer Hilfe mit jedem Eskimo oder Aleuten verständigen konnten. Da stellte es sich denn heraus, daß er zu den westlichen Eskimos vom Nunatakflusse gehörte und mit seiner Familie so weit hierhergekommen war, um an ein europäisches oder amerikanisches Schiff seine mehrjährige Jagdbeute zu verkaufen. Er war im November mit Hundeschlitten auf Unimak angekommen und hatte bis jetzt den Umkreis dieser Insel so gut kennen gelernt, daß der Kapitän ihn als Lootsen und Führer engagierte. Die Schätze, welche er gegen allerlei Tauschartikel dann an Bord brachte, bestanden in Seeotter-, Silber-und Kranzfuchsfellen, welche er uns spottbillig überließ. Er brachte uns in einen tiefen Busen im Eise, wo wir anlegten. In der Nähe lag seine runde Schneehütte, welche er mit seiner Frau, seinem Bruder, dessen Weib und den beiderseitigen Kindern bewohnte. Sie waren in Summa elf Personen mit dreißig Schlittenhunden und fühlten sich glücklich, uns getroffen zu haben.
    Es zeigte sich, daß der Kapitän sehr wohl gethan hatte, sich die Insel Unimak zum Ziele zu nehmen, denn der Eskimo sagte uns, daß es in deren Umgebung von Seehunden ganz schwarz aussehe. Sie mieden jetzt nur die Stelle, an welcher wir vor Anker gegangen waren, weil unsre neuen Freunde da gejagt hatten.
    Da wir wenigstens eine Woche hier bleiben wollten, so wurde an Bord alles beschlagen und festgemacht, so daß, vom Eise aus gesehen, unser Schiff den Anblick bot, den unser Bild »An der Eisküste der Insel Unimak« veranschaulicht.
    Glücklicherweise hatten wir während der ganzen Zeit unsres Aufenthaltes helles, ruhiges Wetter ohne Sturm und Schneegestöber; auch von den gefürchteten Eisnebeln wurden wir ganz und gar verschont.
     

    Die Beute wird nach den Booten geschleppt.
     
    Nachdem noch während der ersten Nacht die Kessel zum Thransieden eingehängt und auch alle andern Vorbereitungen getroffen worden waren, ging es gleich am ersten Morgen unter Führung der Eskimobrüder auf den Robbenschlag. Alle sechs Boote wurden bemannt, jedes mit vier Ruderern und einem Steuerer. Ich saß natürlich in demjenigen, welches mein alter Harper kommandierte. Bewaffnet waren wir alle mit tüchtigen Knütteln.
     

    Robbe von einem Schwertfisch verfolgt.
     
    Einige, unter denen auch ich mich befand, waren außerdem mit guten Doppelgewehren versehen, da die gefährliche Begegnung mit einem Eisbären keineswegs ausgeschlossen war.
    Wir ruderten aus dem Busen hinaus und dann längs der Eisküste hin, an welcher sich bald Seehunde zeigten, erst einzeln, dann in immer größeren und gedrängteren Scharen. Da wir alle weiße Hemden übergeworfen hatten und durch sogenanntes lockeres, weißes Breieis fuhren, bemerkten sie uns nicht, zumal es noch nicht ganz heller Tag war. Aus diesem letzteren Grunde befanden sich sämtliche Alte noch bei den Jungen. Nach kaum einer Viertelstunde gelangten wir an eine Wiese, wie sie selbst der Traum uns nicht besser hätte ausmalen können. Sie hatte sich vom Festeise getrennt, aber nur so weit, daß ein schmaler, offener Wasserkanal dazwischen lag. Drei Boote ruderten in den letzteren hinein; die drei andern gingen am Außenrande hin, um die Robben von zwei Seiten zugleich zu nehmen. Unsre Illustration »Eine Seehundswiese« gibt davon ein genaues Bild.
    Auf ein gegebenes, aber nicht lautes Zeichen legten alle zugleich an; wir stiegen aus, zogen die Boote schnell auf das Eis und gingen dann sofort an das Werk. Wir? Die andern, ja, doch ich noch nicht. Es überlief mich ein mit Grauen gemischtes Mitleid, als ich sah, daß ein jeder sich auf den nächsten Seehund warf, um ihn mit einem Hieb auf die Nase zu töten. Die Tiere hatten so große, schöne Augen und ein gar so hilfloses Aussehen. Uebrigens erschien es mir viel edler, sie zu erschießen. Aber das Gewehr ohne Not und Gefahr zu gebrauchen, war streng verboten, da alle Robben, so weit der Schall des Schusses reichte, sofort das Wasser aufgesucht hätten. Das Morden nahm also seinen stillen, heimtückischen Fortgang. Harper verstand das, was ich fühlte, nur zu wohl; darum sprach er keine Aufforderung aus. Er wußte aus eigener Erfahrung, daß das Jagdfieber mich sehr bald ergreifen werde. Und – – es packte mich allerdings
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