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Der schwarze Mustang. Erzählungen, Aufsätze und offene Briefe

Der schwarze Mustang. Erzählungen, Aufsätze und offene Briefe

Titel: Der schwarze Mustang. Erzählungen, Aufsätze und offene Briefe
Autoren: Karl May
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die Stelle, an welcher ich mich befand, ins Wanken geriet. Da sah ich auf einer offenen Wasserrinne die halbmondförmig rückwärts gebogene Flosse des Fisches blitzschnell dahinschießen. Es wurde ihm, da der Seehund sehr gut schwimmt und taucht, nicht leicht, seine Beute zu erwischen; er trieb sie bald auf, bald ab, bald hierhin, bald dorthin. Harper stemmte sich mit Hilfe seiner Springstange fest; seine Scholle fuhr auf der einen Seite unter Wasser. In diesem Augenblicke schnellte sich ein dunkler Körper zu ihm herauf, so daß derselbe gerade vor seine Füße zu liegen kam. Einen Moment später schoß der Schwertfisch abermals vorbei. Der dunkle Körper war – – der gejagte Seehund, und ich wollte meinen Augen nicht trauen, als ich sah, daß sich das geängstete Tier mit den vorderen Ruderpfoten an Harpers Knie aufrichtete, ihn bittend ansah und dabei einen Ton hören ließ, welcher genau demjenigen eines um Hilfe winselnden Hundes glich. Da kehrte der wohl 5
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lange Schwertfisch zurück; er hatte den Kopf über Wasser, um die Scholle unterzudrücken. Ich fand gerade noch Zeit, das Gewehr anzulegen und ihm eine Kugel zu geben; sie warf ihn zur Seite, so daß er an der bedrohten Eisplatte vorüberflog und sich dann nicht wieder sehen ließ. Ich wußte damals noch nicht, daß der Schwertfisch auch im Eismeere vorkommt.
    Die Schwankung der Scholle war jetzt so bedeutend, daß Harper sich niederkauern mußte; er hielt dabei den Seehund fest, was dieser sich ganz ruhig gefallen ließ. Man hatte drüben den Vorgang auch bemerkt und kam herbei, ihm zu helfen. Ich vergaß die Füchse und dachte jetzt nur an die Robbe. Wie, wenn wir sie lebend auf das Schiff bringen könnten! Ich hielt das für sehr schwer, aber es war sehr leicht, denn das Tier war vor Angst und Anstrengung so abgemattet, daß es nicht an Widerstand dachte. Wir füllten einen leeren, eisernen Trinkwasserkubus mit Seewasser und gaben die Robbe hinein. Sie war ein einjähriges Männchen und wurde während der Rückfahrt der Liebling aller Schiffsmaaten, besonders aber der meinige. Ich nannte das zutrauliche Tier Robby, auf welchen Namen es heute noch hört, und wenn einer der »guten Kameraden« Lust hat, meinen Robby und die Kunststücke, welche ich ihm gelehrt habe, zu sehen, so sei er herzlich zu mir eingeladen; es steht ihm der freundlichste Empfang bereit, und sehr gern will ich ihm auch von andern interessanten Erlebnissen erzählen.

Die beiden Kulledschi
    Bekanntlich gibt es in Aegypten kein andres Trinkwasser als dasjenige, welches man aus dem Nile schöpft. Es ist so lau, daß man es vor dem Genusse abkühlen muß. Dies geschieht dadurch, daß man es in poröse Thongefäße füllt, durch deren Wände es langsam sickert. Die dadurch hervorgerufene Verdunstung bewirkt, daß es bedeutend frischer und also auch wohlschmeckender wird.
     

    Topffloß auf dem Nil.
     
    Diese Gefäße, welche entweder Krug-oder Flaschenform besitzen, werden in der Gegend von Kenneh und Ballas aus echtem thebaischem Thone gefertigt und nach dem letzteren Orte Ballasi genannt. Eine minderwertige Sorte kommt aus Semennud in Unterägypten und wird von betrügerischen Händlern zuweilen als echte Ballasi verkauft. Wer mit solchen Thongefäßen handelt, wird nach dem arabischen Worte Kulle, welches Wasserkrug bedeutet, Kulledschi genannt.
    Kenneh und Ballas verschiffen jährlich Hunderttausende von Krügen, welche zuweilen auf Nilschiffe verladen werden, meist aber in Form von Flößen nach ihrem Bestimmungsorte gehen. Man fertigt zu diesem Zwecke aus Palmfaserstricken ein Netz, in dessen Maschen die Krüge befestigt werden. Sind mehrere Lagen übereinander geordnet, so fassen zwar die unteren Wasser, die oberen aber bleiben leer, so daß das Floß unmöglich sinken kann. Darüber werden Stangen gelegt und Matten gebreitet, um, wie unsre Abbildung zeigt, ein festes Deck zu gewinnen. Zuweilen bringt man sogar einen Mast mit Rahe und dreieckigem Segel an, um den Wind, falls er günstig weht, benutzen zu können.
    Um beweisen zu können, daß ihre Ware eine echte ist und nicht etwa aus Semennud stammt, lassen sich die Händler, bevor sie Kenneh oder Ballas mit ihrem Floße verlassen, gewöhnlich von dem dortigen Schech el Belled (Ortsvorsteher) eine schriftliche Bescheinigung darüber geben, daß sie wirklich hier gewesen sind. Ob dies aber dem kaufenden Publikum hinreichende Sicherheit bietet, mag eine Geschichte zeigen, welche sich zur Zeit des noch heute in lebhaftem
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