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Der schwarze Mustang. Erzählungen, Aufsätze und offene Briefe

Der schwarze Mustang. Erzählungen, Aufsätze und offene Briefe

Titel: Der schwarze Mustang. Erzählungen, Aufsätze und offene Briefe
Autoren: Karl May
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Platze. Sie hatten sich kurz vor Einbruch der Nacht und dem Beginn des Gewitters oben am Flusse getroffen und da erfahren, daß sie beide heut noch nach dem Firwood-Camp 1 wollten, und es war wohl selbstverständlich gewesen, daß sie nicht einzeln, sondern miteinander ritten.
    Nach ihren Namen und Verhältnissen hatten sie sich nicht gefragt, und ihre Unterhaltung war bisher so allgemein gewesen, daß sie Persönliches nicht berührten. Jetzt ertönte ein mehrfacher, krachender Donnerschlag, und wiederholte Blitze zuckten blendend über die enge Tiefe hin. Da meinte der blonde Stumpfnäsige: »
Bless my soul!
Ist das ein Gewitter! Grad wie daheim bei Timpes Erben!«
    Der andre hielt bei den beiden letzten Worten unwillkürlich sein Pferd an und öffnete bereits den Mund, um eine schnelle Frage auszusprechen, besann sich aber eines andern und schwieg, indem er sein Pferd weiter trieb. Er erinnerte sich daran, daß man westlich vom Mississippi nicht unvorsichtig sein dürfe.
    Die Unterhaltung wurde fortgesetzt, natürlich ziemlich einsilbig, wie es die Oertlichkeit und Lage mit sich brachte. Es verging eine Viertelstunde und noch eine. Da machte der Fluß eine scharfe Biegung nach der Seite, auf welcher sich die beiden Reiter befanden; er hatte das hier erdige Ufer unterwaschen; das Pferd des Blonden konnte nicht schnell genug wenden, es geriet auf die haltlose Scholle und brach ein, glücklicherweise nicht tief; der Reiter riß es empor und herum, gab ihm die Sporen und war mit einem kühnen Satz wieder auf festem Boden.
    »
Good god!
« rief er dann aus. »Ich bin schon naß genug vom Regen, wozu also noch ein solches Bad? Hier konnte ich ertrinken! Beinahe so wie damals bei Timpes Erben!«
    Er nahm sichere Entfernung von dem Flusse und ritt dann weiter. Sein Gefährte folgte ihm eine Weile schweigend und fragte dann:
    »Timpes Erben? Was ist das für ein Name, Sir?«
    »Wißt Ihr das nicht?« lautete die Antwort.
    »Nein.«
    »Hm! Sonderbar! Alle meine Bekannten und Freunde wissen es!«
    »Ihr vergeßt, daß wir uns vor wenig über einer Stunde zum erstenmal gesehen haben.«
    »Richtig! Da könnt Ihr freilich noch nicht wissen, wer Timpes Erben sind. Ihr werdet es aber vielleicht erfahren.«
    »Vielleicht?«
    »Ja.«
    »Wann?«
    »Wenn wir länger beisammen bleiben.«
    »Wenn ich es nun jetzt erfahren möchte, Sir?«
    »Jetzt? Warum?«
    »Weil ich Timpe heiße.«
    »Was? Wie? Ihr heißt Timpe? Timpe ist Euer Name?«
    »Ja.«
    »Wirklich? Ist das wahr?«
    »Warum sollte ich mir diesen Namen beilegen, wenn er nicht der meinige wäre?«
    »
Wonderful!
Ich suche nach Timpe seit langen Jahren, überall, auf allen Bergen und in allen Thälern, im Osten und im Westen, bei Tag und bei Nacht, bei Sonnenschein und bei Regen, und nun, da ich es längst aufgegeben habe, ihn zu finden, da reitet er hier in diesem Wetter an meiner Seite und läßt mich beinahe in diesem schöne Flusse ersaufen, ohne mir zu sagen, wer er ist!«
    »Ihr sucht nach mir?« fragte sein Begleiter verwundert.
    »Ja, ja, und zum drittenmal ja!«
    »Weshalb?«
    »Na, wegen der Erbschaft! Weshalb denn sonst?«
    »Erbschaft? Hm! Wer seid Ihr denn eigentlich, Sir?«
    »Ich bin auch ein Timpe.«
    »Auch einer? Woher denn?«
    »Von drüben herüber.«
    »Aus Deutschland?«
    »Natürlich! Das ist doch ganz selbstverständlich! Oder kann ein Timpe wo anders geboren worden sein?«
    »Allerdings, denn ich zum Beispiel bin hier in den Staaten geboren.«
    »Aber von deutschen Eltern!«
    »Mein Vater war ein Deutscher.«
    »So seid Ihr wohl der deutschen Sprache mächtig?«
    »Ja.«
    »Nun, so redet doch, wenn Ihr einen Deutschen vor Euch habt, deutsch, wie Euch der Schnabel gewachsen ist!«
    »Na, Sir, nur sachte, sachte! Ich habe doch nicht gewußt, daß Ihr ein Deutscher seid!«
    »Aber nun wißt Ihr es. Ich bin ein Deutscher, ein Timpe sogar, und verlange, daß Deutsche deutsch mit mir reden.«
    »Welches ist Eure Vaterstadt?«
    »Ich stamme aus Hof in Bayern.«
    »Da gehen wir einander nichts an, denn ich stamme aus Plauen im Voigtlande.«
    »Oho! Nichts angehen? Mein Vater stammt auch aus Plauen und ist von dort nach Hof verzogen.«
    Der Dunkelhaarige hielt sein Pferd an. Der Regen hatte nach einem heftigen Donnerschlage plötzlich aufgehört, und die Wolken waren vom Sturme zerteilt worden. Zwischen ihnen blickten helle, blaue Stellen des Himmels hernieder, und die beiden Männer konnten gegenseitig ihre Gesichter erkennen.
    »Aus Plauen nach Hof verzogen?«
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