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Der schwarze Mustang. Erzählungen, Aufsätze und offene Briefe

Der schwarze Mustang. Erzählungen, Aufsätze und offene Briefe

Titel: Der schwarze Mustang. Erzählungen, Aufsätze und offene Briefe
Autoren: Karl May
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begeben. Nur zwei durften wach bleiben, nämlich der verkappte Polizist und noch einer, dem Sadok Omar sein Vertrauen schenkte. Diese beiden mußten die Schmuggelwaren in Tücher binden und zu dem Tadschir (Kaufmann) tragen, für welchen sie bestimmt waren. Dann wurden auch sie auf das Schiff geschickt, denn sie sollten nicht zugegen sein, wenn Sadok Omar das Geld in Empfang nahm. Es war ein erkleckliches Sümmchen, welches ihm in ägyptischen goldenen Pfunden ausgezahlt wurde. Er steckte sie in einen Lederbeutel, verabschiedete sich von seinem Geschäftsfreunde und kehrte nun auch nach dem Flusse zurück. Bevor er den Sandal bestieg, ging er auf das Floß, dessen echt Krüge er gegen seine unechten umgetauscht hatte, hob an einer Stelle die Decken und Matten empor und versteckte den Beutel mit dem Golde in den darunter befindlichen Krug, wobei er murmelte:
    »Das ist heimlich verdientes Geld und muß auch heimlich aufbewahrt werden. Man weiß nicht, was geschehen kann; Allah allein ist allwissend.«
    Nun erst begab er sich auf das Schiff, um unter dem Hinterdeck desselben sich schlafen zu legen. Als er erwachte, war die Zeit der Morgenröte nahe. Er mußte den Sandal verlassen, da dieser bald absegeln sollte, während er auf dem Floße, wo, wie schon erwähnt, sein Geld versteckt war, nachfolgen wollte. Schon setzte er den Fuß auf das Landungsbrett, als er draußen vor demselben mehrere bewaffnete Männer stehen sah, deren einer ihm zurief:
    »Schon wach, Kulledschi? Hat dich das böse Gewissen aufgeweckt? Das ist mir lieb, da ich mit dir zu sprechen habe.«
    Der Sprecher kam, gefolgt von den andern, über das Brett gegangen. Sadok Omar stand schon im Begriff, eine zornige Antwort zu geben, da erkannte er im Näherkommen das Gesicht des Mannes und rief erschrocken aus:
    »Allah kerihm! Das ist ja Mustapha Effendi, der Muchtessib von Kahira!«
    »Ja, der bin ich,« donnerte ihn der Genannte an. »Du hast deine Rolle ausgespielt, du Schmuggler und Betrüger!«
    »Schmuggler? Betrüger? Effendi, wer hat mich bei dir verleumdet? Wer ist’s gewesen, der – – –«
    »Schweig!« unterbrach ihn der Beamte. »Sage mir, wem dieses Schiff gehört! Aber lüge nicht, sonst laß ich dich zur Dschehenna fahren! Ist es dein Eigentum?«
    »Ja – es – gehört – mir,« stammelte der eingeschüchterte Kulledschi.
    »Nein, es gehört nicht dir, sondern dem Khedive, für den ich es hiermit in Besitz nehme, da es Schmuggelwaren enthalten hat. Und wem gehört das Floß hier nebenan?«
    »Auch mir.«
    »Nein, sondern dem ehrlichen Selim Ben Nuba, der hier hinter mir steht; sein sind die echten Krüge, welche du umgetauscht hast. Dir gehört das zweite Floß mit den Krügen aus Semennud, deren Scherben du schmecken wirst, wie ich mir vorgenommen habe.«
    Sadok Omar wollte leugnen; da rief der Effendi den Polizisten auf, welcher alles erzählte. Gegen einen solchen Zeugen war nicht aufzukommen. Der Kulledschi sah sich gezwungen, ein Geständnis abzulegen, zumal seine eigenen Leute, um nicht selbst bestraft zu werden, gegen ihn aussagten. Die Folge davon war der eigentümlichen Individualität des Effendi angemessen eine außerordentlich drastische.
    Ueber das Schiff bestimmte er, daß es bis zur thatsächlichen Besitzergreifung hier liegen zu bleiben habe. Dann begab er sich mit allen aus dem Schlafe geweckten Bewohnern des Ortes zu dem Geschäftsfreunde, um ihn gefangen nach Kenneh zu liefern und die gepaschten Waren zu konfiszieren. Darauf verkündete er den Leuten mit lauter Stimme:
    »Hört, ihr Männer von Ballas! Dieser Sadok Omar hat schlechte Krüge aus Semennud hierher gebracht, um sie als echte Ballasi zu verkaufen und den Ruhm eures Gewerbes zu schänden. Ich habe geschworen, daß er die Scherben seiner Krüge schmecken soll. Ich befehle also: Man binde ihn an einen Baum; man nehme sein Floß auseinander und werfe ihm die Krüge einen nach dem andern an den Leib, bis sie in Scherben zerbrechen. Ich bin Mustapha Effendi, der Muchtessib von Kahira, und wer mir nicht gehorcht, bekommt die Bastonnade!«
    Es läßt sich denken, daß die Leute nicht länger zögerten, denjenigen zu bestrafen, der ihren industriellen Ruf in dieser Weise gefährdet hatte. Die Krüge aus Semennud wurden ihm vom ersten bis zum letzten förmlich auf dem Leibe zerschlagen (wirkliche Thatsache), und groß war dabei der Jubel dieser allerdings ungebildeten Menschen. Als diese Exekution vorüber war, erklärte der Effendi, daß er nun seines Amtes
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