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Der schwarze Mustang. Erzählungen, Aufsätze und offene Briefe

Der schwarze Mustang. Erzählungen, Aufsätze und offene Briefe

Titel: Der schwarze Mustang. Erzählungen, Aufsätze und offene Briefe
Autoren: Karl May
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Andenken stehenden Mustapha Effendi ereignete.
    Dieser Beamte, ein geborener Kurde, war Muchtessib in Kairo, ein Wort, welches man am besten mit »Marktmeister« übersetzt. Ein Muchtessib hat die Läden zu revidieren und die Händler zu beaufsichtigen, damit jeder Käufer das richtige Maß und Gewicht erhalte und die Ware nicht höher als zu dem vorgeschriebenen oder gebräuchlichen Preise zu bezahlen habe. Bei der bekannten Bestechlichkeit orientalischer Beamten ist dieses Amt meist nur vorhanden, um den Träger desselben reich zu machen; Mustapha Effendi aber machte eine rühmenswerte Ausnahme; er erfüllte seine Pflicht mit großer, oft allzu großer Strenge und hätte gewiß jeden Versuch, ihn zu bestechen, auf das härteste bestraft. Er durchwanderte vom Morgen bis zum Abend die Gassen und Plätze der Stadt, durchkroch alle Läden und Winkel und zeigte dabei einen Blick, dessen Schärfe nicht das Geringste zu entgehen vermochte. Nie war er allein; es folgten ihm stets mehrere Polizisten, welche diejenigen Gegenstände trugen, deren er zur Ausübung seines Amtes bedurfte. Das war eine Wage, ein Hohl-und ein Längenmaß und – mit Respekt sei es gesagt – ein vollständiger Apparat zur Applikation der Bastonnade. Mustapha Effendi hatte nämlich nicht nur die Pflicht, die Sünden der Verkäufer zu entdecken, sondern er besaß auch das Recht, dieselben augenblicklich zu bestrafen. Dabei war die Bastonnade nicht etwa sein einziges Züchtigungsmittel, o nein! er hatte sich vielmehr durch das Auffinden der verschiedensten und meist originellsten Bestrafungsarten geradezu berühmt gemacht. Seine beiden Haupteigenschaften waren eine echt kurdische Unerbittlichkeit und eine Schlauheit, mit welcher er den größten Pfiffikus endlich doch einmal besiegte.
    Ein solcher Pfiffikus war Sadok Omar, der Kulledschi. Die Wasserkrüge, welche er verkaufte, trugen alle das Zeichen der echten Ballasi; es war erwiesen, daß er sie aus Ballas holte; er vermochte die Zeugnisse des dortigen Schech el Belled vorzuzeigen, und doch war der Muchtessib überzeugt, daß diese Krüge nicht aus Ballas, sondern aus Semennud stammten. Der Ton, welchen sie beim Klopfen von sich gaben, war nicht derjenige der echten Ballasi; aber dies reichte nicht aus, Sadok Omar des Betruges zu überführen.
    Neben diesem Händler wohnte ein andrer Kulledschi, Selim Ben Nuba genannt, weil er ein dunkelfarbiger Nubier war. Aus der fernen Heimat nach Kairo gekommen, war er mehrere Jahre Diener bei einem fränkischen Konsul gewesen und hatte sich so viel erspart, daß er einen Ballasihandel beginnen konnte. Da er ehrlich war, brachte er es nicht zu dem Gewinne seines Nachbars Sadok Omar, welcher seine billige unechte Ware zu dem hohen Preise der echten verkaufte und sich dennoch außerordentlich darüber ärgerte, in dem Nubier einen so nahe wohnenden Konkurrenten bekommen zu haben. Er haßte den letzteren und that sein möglichstes, ihm Schaden zu bereiten und ihn geschäftlich zu ruinieren. Dies wollte ihm aber nicht gelingen, denn Selim Ben Nuba war infolge seiner Ehrlichkeit ein Liebling des Muchtessib, der ihn zwar nicht begünstigte, aber doch mit offenen Augen über ihn wachte. Dies erschütterte Sadok Omars Geduld in der Weise, daß er beschloß, seinen Zweck durch einen Handstreich zu erreichen.
    Er pflegte nämlich seine Krüge in Semennud zu kaufen, und in dem Ballastraume eines Sandals (Nilschiffes) hinauf nach Ballas zu bringen. Dort wurden sie des Nachts ausgeladen und zu einem Floße verbunden, um nach Kairo gebracht zu werden. Da ihnen das Zeichen der echten Ballasi eingedrückt war und der Schech el Belled die Bescheinigung darüber, daß Sadok Omar hier gewesen sei, nicht verweigern konnte, so hatte der letztere niemals des Betruges überführt werden können. Neben diesem Geschäft betrieb Sadok Omar noch ein andres, nicht minder verwerfliches – die Schmuggelei. So oft er in Semennud unechte Krüge verlud, versteckte er in die untersten derselben allerhand abendländische Artikel, welche in Damiat heimlich an das Land gekommen waren und von ihm mit nach Ballas genommen wurden, wo er gegen hohen Gewinn sofortigen Absatz fand. Infolge dieses Gewinnes hatte er es soweit gebracht, Besitzer des Sandals zu werden, während der Reïs (Kapitän) desselben offiziell als der Eigentümer des Schiffes galt.
    Jetzt nun hatte Sadok Omar den Plan, unechte Krüge, welche auch das Zeichen der unechten trugen, zu kaufen und sie Selim Ben Nuba in die Hände zu
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