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Der schwarze Krieger

Der schwarze Krieger

Titel: Der schwarze Krieger
Autoren: William Napier
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Anordnung der Zelte ergeben hatte, ließ Attila das Haupt in den Staub fallen und wartete. Langsam kamen die entsetzten Hunnen näher. Männer mit dicken Bäuchen und offenstehenden Mündern wie bei dem toten König; Frauen mit großen, zu Tode erschrockenen Augen, die Babys säugten; wohlgenährte Kleinkinder, die neugierig zwischen den Beinen ihrer Eltern hervorkrochen. Insgesamt nicht mehrals ein paar hundert Menschen, darunter viel mehr Männer als Frauen. Denn die Frauen starben oft am Kindbettfieber, während kein einziger Krieg die Männer dezimiert hatte.
    Attila betrachtete die zerlumpte, staubige, friedliche Menge, als plötzlich eine Stimme, die Stimme Chanats, rief: «Heil, Tanjou Attila, unser König!»
    Immer noch musterte Attila mit ernstem Gesicht seine Leute. Nach einem langen, unangenehmen Schweigen winkte er Chanat zu sich. «Bring mir ein Holzscheit.»
    Chanat ritt zu den erwartungsvoll dreinblickenden Männern und Frauen hinüber, die sich sofort in Bewegung setzten, um seinen Wunsch zu erfüllen. Nicht weniger als acht brennende Fackeln wurden ihm kurz darauf gereicht. Er entschied sich für die am hellsten brennende und brachte sie seinem Tanjou.
    Attila nahm sie mit seiner Rechten entgegen, wendete sein Pferd, ritt zurück zum Königszelt und warf die Fackel auf die weißen Filzwände. Sofort begannen die Flammen den Stoff und die hölzernen Pfosten, von denen sie herabhingen, zu verzehren.
    «Herr», sagte Chanat und trat neben ihn. «Das Mädchen   …»
    «Hm   …», machte Attila, blickte über die Schulter und zwirbelte dabei nachdenklich seinen dürren Bart. «Und das Gold.»
    Er trieb seine Absätze in die Flanken des Pferdes, worauf das erschrockene Tier auf die Hinterbeine ging und wieherte. Der Geruch nach verbrennendem Fett stieg ihm bereits in die Nüstern. Doch Attila griff nach dem Lasso an seinem Gürtel und schlug gnadenlos auf den Leib des scheuenden Pferdes ein. Mit der anderen Hand zurrte er die Zügel so heftig zusammen, dass der Kopf des Tieres in den Nacken gerissenwurde. Noch einmal trieb Attila seine Absätze in die Flanken des Tieres, dann schoss das Pferd durch den brennenden Zelteingang.
    Die Umstehenden schauten ungläubig zu. Seit einer ganzen Generation hatten sie so etwas nicht mehr gesehen. Und dies, das ahnten sie, war erst der Anfang.
    Zwischen den Männern und Frauen sah noch jemand anders zu. Der schweigsame griechische Sklave beobachtete, wie einer der Hunnen, ein junger Mann von gerade mal zwanzig Jahren, einen Schritt auf das Zelt zu machte, als wolle er seinem Herrn folgen. Orestes musste heimlich lächeln.
    Als die Holzpfähle nachgaben, brach eine Zeltwand zusammen, und das Prasseln der Flammen wurde noch heftiger. Die Umstehenden wichen vor der ungeheuren Hitze zurück. Einige sahen zu Chanat hinüber, doch der rührte sich nicht vom Fleck. Flammen züngelten hoch in den düsteren, schiefergrauen Himmel. Immer höher schlugen die Funken, und Asche sowie einzelne Stücke von verbranntem Filz wirbelten wie versprengte Opfer an die Götter in die Luft. Das Zelt war ein Inferno. Niemand konnte darin überleben.
    Kein Zweifel, der Mann, der heute gekommen war, war kein Mörder oder Usurpator, sondern schlicht ein Verrückter.
    Doch plötzlich sprengten Pferd und Reiter im Galopp durch die brennenden Fetzen des Zeltes und kamen schließlich in einer Staubwolke vor der Menge zum Stehen. Ungläubig starrten die Männer und Frauen des Stammes sie an. Das Fell des Tieres rauchte noch, und es roch nach versengten Haaren. Das Gesicht des Reiters war pechschwarz, seine Augen glühten förmlich darin.
    Ein Blitz zuckte über den Himmel und fuhr in den letztenPfosten des königlichen Zeltes. Die Götter waren erzürnt und machten die Jurte dem Erdboden gleich.
    Der neue König blickte sich nicht einmal um, und auch sein keuchendes, angesengtes Pferd verhielt sich wieder ganz ruhig.
    Auf den Blitz folgte kein Donner, so schworen nachher alle, die zugegen waren. Es fielen auch keine Regentropfen, die nach und nach den schrecklichen Brand hätten löschen können.
    Das zusammengebrochene Zelt verging zu Asche. Es war der Wille der Götter.
    Vor dem eindrucksvollen tiefroten Flammenmeer saß Attila mit schwarzem Gesicht auf seinem Pferd und blickte über sein Volk. Dann ließ er das Bündel, das er vor sich auf dem Sattel trug, zu Boden gleiten. Es war die junge Sklavin, die Favoritin des toten Königs. Sie war in einen Teppich gewickelt, damit ihre blasse Haut nicht
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