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Der schwarze Krieger

Der schwarze Krieger

Titel: Der schwarze Krieger
Autoren: William Napier
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Steppengegend, wo ein beständiger Wind über das schimmernde Grasland blies.
    Doch während er hinter seinem neuen Tanjou herritt, glühten Chanats tiefliegende Augen mehr denn je. Seine mächtige Faust hielt den Bogen, ohne zu zittern, und er bezweifelte nicht mehr, dass er ihn genauso kräftig spannen konnte wie irgendeiner der anderen Männer. Denn sein Körper war noch so schlank und drahtig wie eh und je, und noch lag der kupferne Halsreif um eine muskulöse Kehle. Nichts an ihm verriet die Schlaffheit oder Mattigkeit des Alters.
    Attila zog ihn beiseite. «Derjenige mit Namen Aladar. Er ist ein Sohn von dir, nicht wahr?»
    Chanat lächelte stolz. «Woher wusstest du das?»
    «Er sieht beinahe so stattlich aus wie sein Vater.»
    «Beinahe.» Er sann nach. «Die Nacht, in der er gezeugt wurde, war herrlich.»
    «Das glaube ich gerne», sagte Attila.
    Über seiner Schulter trug er die lange Lanze, mit der er das hellrot tropfende Haupt König Rugas aufgespießt hatte. Mit einem Mal blieb er stehen und wirbelte die schwere Last herum, als wäre es nur ein Strohhalm. Dann pflockte er die Lanze in das Erdloch eines Präriehunds, sodass das blutige Haupt mit offenem Mund durch den grauen Regenvorhang starrte. Noch immer hingen die kostbaren Ohrringe von Rugas Ohrläppchen, die spärlichen Haare klebten an seinem massigen Schädel, und silberne Regentropfen perlten von seinem Bart.
    Attila wendete sein Pferd und trieb seinen Trupp gut fünfzig Meter zurück.
    «So!», brüllte er gegen Wind und Regen an. «Ein Zehntel des Goldes in der Truhe für denjenigen, der das Ziel trifft!»
    Zunächst waren die Männer zögerlich und sogar furchtsam, dann aber, angelockt von der Aussicht auf das Gold undin wachsender, blutrünstiger Erregung, zielten sie abwechselnd auf den Schädel. Doch keiner von ihnen traf. Die Pfeile wurden vom starken Wind abgetrieben und landeten weitab im nassen Gras. Während die Männer sich abmühten und ihre Pfeile verschossen, ritt Attila beiseite und beobachtete sie.
    Nach einiger Zeit drängte er sich mit seinem Pferd jedoch zwischen sie. Von Candac, dem dicklichen, aber zäh wirkenden Mann auf einem weißen Wallach, schnappte er sich Bogen und Pfeil.
    Die acht Auserwählten wichen zurück und sahen zu, wie Attila den Bogen spannte und den Pfeil mit einer einzigen raschen Handbewegung, fast ohne das Ziel ins Visier zu nehmen, losschnellen ließ. Die Bogensehne summte, und der Pfeil flog erst seitlich, dann schräg nach oben und leicht einwärts und durchbohrte die schreckliche Fratze auf der Lanze. Der Pfeil schoss auf der anderen Seite wieder heraus und blieb schließlich im triefenden Gras stecken.
    Die Männer starrten mit offenem Mund.
    Attila warf Candac den Bogen in den Schoß. «Eines Tages wirst du auch so gut schießen können», sagte er. «Und zwar schon bald.»
    Dann wendete er sein Pferd und ritt zurück zum Lager. Den blutigen Schädel ließ er in der Ebene zurück, als Lektion für die Menschen und als Frühstück für die Krähen.
    ***
    Als der Sturm nachgelassen hatte und die Wolken sich verzogen, um dem blauen Himmel Platz zu machen, ließ Attila seine Männer erneut in die Ebene hinausreiten. Eine der Frauen schimpfte, ihr Mann werde ihr heute Nacht nicht zurVerfügung stehen, wie sie es verdiene: Er würde erschöpft sein.
    Attila musterte sie kurz, dann trieb er seinem Pferd die Absätze in die Flanken und galoppierte vor den Männern auf und ab, wie ein Heerführer vor der Schlacht. Er schleuderte ihnen bittere Worte ins Gesicht.
    «Wie nennen uns die Chinesen?», brüllte er. «Wie lautet unser Name in ihren Annalen?» Mit einem heftigen Ruck brachte er sein Pferd zum Stehen und spie ihnen die beleidigenden Worte entgegen. «Nichtsnutzige Nomaden! Milchtrinker!»
    Die Männer zuckten zusammen, ihre Gesichter verdüsterten sich. Sie wussten, wie man sie in den Städten nannte, im goldenen Herzen Chinas – dem Land, dessen Namen kein Hunne aussprechen durfte, weil das Unglück brachte. Oder weit weg in den geheimnisvollen Reichen Persien und Rom, von denen sie so seltsame Dinge gehört hatten.
    «Wie aber», fügte Attila mit bebender Stimme hinzu, «werden wir in Rom genannt? In den Chroniken jener aufgeblasenen Tyrannen der westlichen Welt? Bei einem gewissen Ammianus Marcellinus heißt es, wir seien ein abscheuliches, garstiges und verkommenes Volk. Wäre der Mann nicht bereits tot, wäre er der Erste, den wir bei unserem Einzug in Rom pfählen würden!»
    Die Männer
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