Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der schwarze Krieger

Der schwarze Krieger

Titel: Der schwarze Krieger
Autoren: William Napier
Vom Netzwerk:
nun ebenfalls wieder auf und trieben ihre Pferde über das langgestreckte Hügelgrab. Attila hielt den rechten Arm in die Höhe und rezitierte mit tiefer, vibrierender Stimme die Totenklage der Hunnen.
    Dann gaben alle drei ihren Pferden die Sporen und ritten den steilen Abhang mit den Gräbern hinab auf das Hunnenlager zu.
    Als sie sich den Zelten näherten, aus denen friedlicher Rauch aufstieg, hielt Attila sein Pferd an, und seine beiden Gefolgsleute taten es ihm gleich.
    «Er wurde ohne seine Pferde, ohne seine Ehefrauen und Sklavinnen bestattet.» Sein Tonfall wurde heftiger, als er sich Chanat zuwandte. «Ohne einen einzigen Goldring schickte man ihn auf die Reise!»
    Chanat hielt seinem Blick nicht stand.
    «Sprich!», heischte Attila ihn an.
    Mit schmerzerfüllter Stimme hauchte Chanat: «Frage mich nicht, Tanjou. Frage mich nicht nach den Toten.»
    Attila ließ seinen Blick streifen und schaute schließlich starr in die Weite. Als würde er dem Horizont selbst die Kehle durchschneiden wollen.
    Dann ritten sie ins Lager.

2.
Das brennende Zelt
    Das Hunnenlager befand sich an einer Biegung des Dnjepr, des Flusses, den die Griechen Borysthenes nennen. Er entsprang weit im Norden in den Eisbergen, und sogar am Ende eines glühenden Sommers floss der Strom noch breit und ruhig durch das Grasland aufs Schwarze Meer zu. Dort hatten die Hunnen den ganzen Sommer lang Barsche getrocknet, Fleisch gepökelt und sich an dem großen Flussstör gütlich getan. Sie hatten Federwild gejagt und den plumpen grasfressenden Saigaantilopen aufgelauert, wenn die Tiere in der Abenddämmerung zum Trinken kamen.
    Früher einmal war der Sommer die Jahreszeit für Krieg gewesen, der Winter dagegen die für den Frieden. Nun aber waren die Hunnen schon lange nicht mehr in die Schlacht gezogen; sie kämpften nicht einmal mehr mit ihren Stammesrivalen. Das ganze Jahr über herrschte Frieden.
    Am Eingang des weitverstreuten Lagers sahen die Wachposten Chanat und seine Begleiter verunsichert an. Einer von ihnen griff nach dem Strick, der Orestes’ Pferd als Zügel diente, und der Grieche hielt, ohne zu protestieren, an. Attila jedoch ritt einfach vorbei und sah die Wachen dabei so durchdringend an, dass keiner wagte, ihn anzuhalten. Er gelangte zur Jurte des Königs, zog den Kopf ein und gab seinem Pferd die Sporen, um durch die Zeltplanen hinein in das große Außenzelt zu reiten. Zwei Krieger richteten ihre Speere auf ihn und fragten ihn nach seinem Namen.
    «Namenlos und fluchbeladen», sagte er, schwang ein Bein über den Hals seines Pferdes und glitt hinab.
    Als er auf den inneren Zeltbereich zumarschierte, vertrat ihm einer der beiden Wachposten den Weg. Doch gleich darauf krümmte sich der Mann vornüber – Attilas hellglänzende Schwertklinge steckte in seiner Magengrube.
    Der Verwundete torkelte rückwärts und sank heftig blutend zu Boden. Der andere Wachposten kam mit gezücktem Speer auf Attila zu, woraufhin dieser das Heft mit einem kräftigen Seitenhieb seines Schwertes entzweibrach. Attila trat nahe an den Krieger heran und hieb ihm die Klinge unterhalb des Arms zwischen die Rippen. Anschließend zog er das Schwert heraus und ging unbeirrt weiter, während der Wachposten hinter ihm tot zusammensackte. Attila packte den Vorhang aus feiner byzantinischer Seide zum inneren Zelt, riss ihn herunter und trat mehrfach mit seinen Stiefeln darauf herum.
    König Ruga erhob sich schwankend von seiner Liege, ein junges Mädchen kniete zu seinen Füßen. Der König starrte den Eindringling mit verschwommenem Blick an. Er war fett geworden in den letzten Jahren, aber er war trotz seiner sechzig Jahre noch immer eine beeindruckende Persönlichkeit, mit einem vollen Bart, der so untypisch für einen Hunnen war, und kräftigen, gerundeten Schultern. Guter Wein hatte seine Stupsnase jedoch tiefrot gefärbt, und seine Augen waren geschwollen und blutunterlaufen. Er warf dem Mädchen zu seinen Füßen einen raschen Blick zu und gab ihr einen leichten Stoß, woraufhin sie nach draußen huschte. Dann sah er wieder die Gestalt vor sich an.
    «Wer hat dich gesandt?», fragte er unvermittelt. Und obwohl er wegen des vielen Weines leicht zitterte, zeigte er keine Furcht.
    «Wer mich hergesandt hat?» Attila lächelte. «Astur. Astur hat mich hergesandt.»
    Rugas Blick wurde starr.
    Der Fremde zog die Kopfbedeckung von seiner breiten, sonnenverbrannten Stirn, und der alte König sah drei blasse, rötliche Narben. Die Narben auf den Wangen des Fremden
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher