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Der schwarze Krieger

Der schwarze Krieger

Titel: Der schwarze Krieger
Autoren: William Napier
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spannen. Er war mittlerweile alt und sollte lieber zurück ins Lager reiten und Bericht erstatten. Bald schon würde er wie ein Mann in der Schlacht fallen. Nacht für Nacht erbat er von den Göttern einen Tod im Kampf. Doch nicht heute. Nicht in einem einsamen Gefecht mit einem unbekannten Reiter draußen in der Steppe, ohne einen Zeugen, der seinen Tod besingen konnte.
    Der Reiter auf dem Hügel wandte den Kopf ein wenig zur Seite und schien den alten Krieger nun direkt anzusehen. Chanat konnte den Gesichtsausdruck des Fremden nicht erkennen. Seine Augen waren alt und schwach. Doch ihm war, als ob der Reiter mit einem Mal von einer starken Unruhe erfasst wurde, die nur darauf wartete, sich Bahn zu brechen. Der Wind zauste durch die kurze Mähne seines Pferdes und blies auch dem Reiter die dunklen Haare in die Stirn. Sogar die Art, wie er die Zügel hielt, wie er das Pferd mit zusammengepressten Schenkeln kontrollierte, verriet seine gespannte Energie. Alles an ihm schien aus dunklem Stein oder Eisen; es war nichts Weiches an ihm.
    Plötzlich hob der Fremde den rechten Arm und vollführte eine rasche Drehung des Handgelenks. Es war nur eine flüchtige Bewegung, aber ein eindeutiges Zeichen. Dann ließ er den Arm wieder sinken und blickte starr geradeaus.
    Der alte Krieger konnte nichts tun, als der Aufforderung des Mannes nachzukommen. Er, der sich über dreißig Jahre lang von niemand anderem als König Ruga hatte Befehle erteilen lassen, gab seinem Pferd die Sporen und ritt auf den Grabhügel zu.
    Immer näher kam er dem schwarzen Reiter. Bis er ihm ins Gesicht blicken konnte, ungläubig, staunend. Nein, das konnte nicht sein!
    Der Fremde war vermutlich Mitte vierzig. Er trug einen kurzen pelzbesetzten Umhang, der am Hals mit einem Lederriemen zusammengebunden war. Der Umhang war wohl einmal dunkel und glänzend wie ein Nerz gewesen, doch nun war er grau und staubig. Der spitze Kalpak aus Filz, die traditionelle Kopfbedeckung der Hunnen, war weit in die Stirn gezogen. Sein von grauen Stellen durchzogenes dichtes, dunkles Haar fiel auf muskulöse Schultern herab. Unter den Brauen funkelten dunkle Augen, doch die Heiterkeit darin war allenfalls wild und bitter. Seine kräftige, knochige Nase musste im Laufe vieler Jahre wohl mehr als einmal das Ziel von Schlägen gewesen sein. Der Mund besaß einen extrem harten Zug; das Kinn bedeckte ein allmählich grau werdender Bart. Der Mann trug goldene Ohrringe. Unter dem Umhang stachen kupferfarbene Arme hervor, die bis auf zwei Silberringe um den Bizeps entblößt waren. Er hatte sehr ausgeprägte, harte Muskeln, und seine sehnigen Unterarme waren von dicken Adern durchzogen und erinnerten an die eines Hufschmieds, nur waren sie überall vernarbt. Insbesondere der rechte Arm wirkte mit seinen Linien und Kreuzen wie das Schneidebrett eines Knochenhauers. Seine Reithose war mit überkreuzten Bändern versehen, und er trug ramponierte Stiefel aus Hirschleder. An einem breiten Ledergürtel um seine Taille hingen ein kurzes Kriegsbeil mit einer gezackten Klinge, die einen Bogen beschrieb, sowie ein schwarzes Lasso. Auf der anderen Seite ruhte ein prächtiges Schwert – wohl eher persischer oder byzantinischer Machart, mit feinen goldenen Verzierungen am Knauf und einer verkratzten Scheide aus Leder   –, das aufgrund seiner gewellten, schmaler werdenden Form und der langen Spitze an eine spanische Klinge erinnerte. Quer über den Rücken trug der Fremde einen ledernen Köcher für seine Pfeile undeinen kurzen, todbringenden Bogen. Seine stark geäderten Hände waren die kräftigen Tatzen eines hungrigen Bären. Zu Fäusten geballt, lagen sie auf dem Knauf des groben, hölzernen Sattels. Seine Haut schien wettergegerbt. Seine ganze Erscheinung war die eines Mannes, der jahrelang eisige Stürme, schneidende Wüstenwinde und irrsinnige Gluthitze hatte aushalten müssen und der doch unbeirrt immer weiter geritten war.
    «Sieh an», sagte der schwarze Reiter mit heiserer, aber weicher Stimme. «Chanat. Noch immer am Leben.»
    Chanat erwiderte nichts. Ein alter Mann war schließlich eine Last und eine Schande für sein Volk; schon vor langer Zeit hätte er mit dem Schwert in der Hand auf einem Schlachtfeld fallen sollen.
    «Nun, das gilt ja auch für mich», fügte der Reiter hinzu. «Noch immer am Leben. Heute komme ich nach Hause und verlange mein Recht.»
    Es bestand kein Zweifel mehr. Chanat sah erneut zu dem Fremden auf. Er war es.
    Aus östlicher Richtung kam ein weiterer
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