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Der schwarze Ballon

Der schwarze Ballon

Titel: Der schwarze Ballon
Autoren: Valerie Frankel
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hören: »Ms. Mallory, Sie sehen prall aus wie eine Jersey-Tomate.« Und bei der Testamentsverlesung hatte er über Cheryl gesagt, sie sei »aufgesprungen wie ein Bambussprößling«. Und in seinem Büro hatte er hinsichtlich der Polsterung des französischen Provinzstuhls bemerkt, er sei so hart gestopft wie »eine Banane in der Schale«. Ich konnte nicht mit Sicherheit sagen, daß er der Poet war. Und, davon mal abgesehen, es war auch noch lange nicht gesagt, daß der Poet auch der Killer war. Aber ich war schon halb aus der Tür, um es herauszufinden. Da klingelte das Telefon.
    Santina hielt mich fest. »Wo zum Teufel willst du hin, Miss Eine-Verlobung-ist-keine-große-Sache? Ich bin noch nicht mit dem Menü fertig.« Alex fiel etwas in meinem Blick auf. Er stand auf und packte mich bei den Schultern.
    »Was ist?« sagte er. »Was weißt du?«
    Das Telefon klingelte noch immer. Als der Anrufbeantworter sich einschaltete, hörten wir die Stimme einer Frau. Sie klang ganz verzerrt vor Angst. »Er kommt«, sagte sie. Wir hörten das Geräusch von Metall auf Metall. Dann einen Schrei, wie ich ihn noch nie in meinem Leben gehört hatte, ein Schrei, der einem buchstäblich das Blut in den Adern gefrieren ließ. Ich nahm den Hörer ab, aber die Leitung war tot. Wir standen einen Moment wie erstarrt. Santina sprach als erste.
    Sie sagte: »Ich weiß nicht, wer die Frau war, und ich hoffe, ich lerne sie nie kennen. Aber du solltest besser zu ihr gehen, Wanda. Sofort.« Das waren ganz neue Töne bei Santi — mich in eine gefährliche Situation zu schicken. Das hautnahe Erleben von Todesangst kann Leute völlig verändern.
    Ich rührte mich nicht. Ich wußte nicht, wer die Anruferin war. Es gab eigentlich nur zwei Möglichkeiten — Martha oder Cheryl. Cheryl war die unwahrscheinlichere, aber wenigstens wußten wir, wo wir sie finden würden. Martha — auf die ich tippte — war immer noch überfällig. Wir konnten zu Cheryl fahren, um zu gucken, ob bei ihr alles okay war, aber dadurch verloren wir vielleicht jede Chance, Martha zu retten. Und umgekehrt.
    Alex las meine Gedanken. Er sagte: »Wir müssen uns aufteilen.«
    »Du übernimmst Cheryl«, sagte ich. »Ich habe da so eine Idee, wie ich erfahren könnte, wo Martha sich aufhält.« Ich hatte den Satz noch nicht ganz zu Ende gesprochen, als wir auch schon zur Tür raus waren. Santi blieb da, um auf das Telefon aufzupassen. Alex nahm ein Taxi Richtung Uptown. Ich rannte so schnell, wie meine Raucherlunge es zuließ, zur Orchid Lounge.

    Deb, schnuckelig wie ein Baby mit ihrem Pferdeschwänzchen, stand hinter der kreisförmigen Bar und mixte Getränke. Ich rannte zu ihr, total außer Puste. Sie lächelte mich breit an und fragte, wie es mir heute ginge. Ich sagte: »Johann Pesto.«
    Sie guckte mich seltsam an. Er hatte sie offensichtlich angewiesen, den Mund zu halten. »Ich hab’ dir doch neulich schon gesagt, daß ich ihn schon seit einer Weile nicht mehr gesehen habe«, sagte sie.
    »Ich weiß, daß er hier ist. Er weiß, daß ich weiß, daß er hier ist.« Sie fuhr sich mit der Zunge über die Lippen und überlegte. Ich sagte: »Sag’ ihm, Martha ist in Gefahr.« Sie konnte an meinem Ton hören, daß ich keinen Quatsch machte. Sie rannte ins Hinterzimmer und blieb dort eine Ewigkeit. Das Warten machte mich verrückt. Und wie ich schon sagte, Geduld ist nicht gerade einer meiner Stärken.
    Ich stürmte ihr hinterher in das mit roten Samttapeten ausgestattete Hinterzimmer. Die verspiegelte Kugel an der Decke drehte sich langsam und sprenkelte die Wand mit pinkfarbenen Lichtpunkten. Eine riesige Neonplastik in der Form eines erigierten Pimmels füllte eine Ecke des Raums aus. Ich platzte in drei wandschrankähnliche Séparées (sehr zum Verdruß der Stundengäste), bis ich endlich Johann fand. Er lag auf einem riesigen Futon in einer mit violettem Samt ausgeschlagenen Einzelzelle und ließ sich von drei Frauen gleichzeitig belutschen. Deb stand an der Rückwand der Kabine. Sie bemerkte mich als erste und trug eine Entschuldigung vor. Offenbar war Johann mehr an dem interessiert, was die Mädels mit ihm anstellten, als daran, sich mit mir zu unterhalten.
    Ich sagte: »Hey, Johann. Hey.« Er schaute noch immer nicht auf. Ich sagte: »Johann. Hey. Martha ist in Gefahr.« Ich wedelte mit den Händen.
    Er schaute in meine Richtung. In seinen Augen war wieder dieser seltsame gemischte Ausdruck von Lust und Schmerz, den er schon bei unserem seinerzeitigen Dreier gehabt
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