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Der schwarze Ballon

Der schwarze Ballon

Titel: Der schwarze Ballon
Autoren: Valerie Frankel
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schluchzen.
    Als er sich erholt hatte, nahm er seine Brille ab und wischte sich die Augen. Er sagte: »Ich mochte sie außerordentlich.«
    Ich sagte: »Das wissen wir, Mr. Gladman.«
    Gladman rieb sich die Stirn und sagte: »Nun, ich denke, es wird mir gleich wieder bessergehen. Wenn Sie so nett wären, mir einen Moment Zeit zu geben.« Er vergrub das Gesicht in den Händen. Wir warteten. Nach einer Minute sagte er: »Ich war nie ein besonders religiöser Mensch, aber wenn jemandem, der einem nahesteht, etwas so Tragisches widerfährt, dann fragt man sich doch, ob es nicht so etwas wie einen göttlichen Plan gibt. Ob das nicht vielleicht so hat sein sollen. Ob für Martha die Zeit gekommen war, zu Gott in den Himmel zu kommen.«
    Ich sagte: »So, so, das fragen Sie sich.«
    »Es tröstet einen irgendwie, verstehen Sie«, sagte Gladman.
    »Das glaub’ ich Ihnen gerne.«
    Er sagte: »Die Zeitungen scheinen zu glauben, daß dieser Pesto Belle getötet hat. Glauben Sie, daß er auch Martha getötet hat?« Seine Stimme brach.
    Alex sagte: »Wir hatten eigentlich gehofft, daß Sie uns ein wenig mehr über Ihre Beziehung zu Martha erzählen könnten.«
    Er schaute auf seine Uhr. Gladman sagte: »Mir wäre lieber, wenn wir dieses Gespräch auf morgen verschieben könnten. Ich möchte jetzt gern mit meiner Trauer allein sein.«
    Alex sagte: »Nun, Mr. Gladman, wie Sie wissen, haben wir noch weniger als eine Stunde, um den Fall aufzuklären, und wir können einfach nicht mehr bis morgen warten.«
    Er sah Alex spöttisch an und sagte: »Großer Gott, Mann. Eine Frau wurde umgebracht.« Er konnte an unseren Gesichtern ablesen, daß wir nicht gehen würden. Er sagte: »Na schön, Sie Barbaren. Ich habe nichts zu verbergen. Sie war seit über einem Jahr meine loyale Assistentin. Wir freundeten uns in dieser Zeit auch miteinander an. Sie war eine wunderbare Frau. Gewissenhaft, zuverlässig. Und sie hat ein hervorragendes Aktenorganisationssystem für mich aufgebaut. Eine echte Perle, ein Goldstück, das Beste vom Besten aus der Obstpalette.«
    Ich sagte: »Ein Goldapfel.«
    Gladman sagte fast frenetisch: »Ja, sie war ein echter Goldapfel.«
    Alex sagte: »Mit Lippen wie reife Himbeeren.«
    Ich sagte: »Und Augen wie Weintrauben.«
    Alex sagte: »Und einem Hintern wie reife Melonen.« Gladmans Lippen machten seltsame Formen, so als würde er mit einem Gehörlosen sprechen.
    Schließlich sagte er: »Ja. Das alles hatte sie. Aber wir brauchen diese kleine Posse nicht weiterspielen, oder? Offensichtlich haben Sie Gedichte von mir entdeckt. Ganz gut, nicht wahr? Ich habe diese Gedichte Martha zum Abtippen gegeben, um sie meiner Frau zum Valentinstag zu schenken. Ich bin nämlich ein unverbesserlicher Romantiker, müssen Sie wissen. Hoffnungslos verliebt in meine Frau.«
    Alex sagte: »Verzeihen Sie, Mr. Gladmann, aber hoffnungslos Verliebte reichen normalerweise keine Scheidungsklagen ein. Abgesehen davon trugen alle Gedichte den Titel: >Ode an Martha<.«
    Wieder machte Gladman seine ulkigen Lippenbewegungen. Er stand auf und proklamierte mit heiliger Entrüstung: »Dies ist ein Skandal. Wie können Sie es wagen, in mein Büro einzudringen und Erklärungen von mir über Dinge zu verlangen, die Sie nichts an gehen? Gut, nun gut. Wenn Sie es denn nun unbedingt wissen müssen — ja, ich habe diese Gedichte für Martha geschrieben. Ich weiß nicht, wie sie in Ihre schmierigen Hände gelangt sind, aber das ist jetzt wohl eigentlich auch einerlei. Sie hat nie erfahren, daß ich der Verfasser bin. Und es lag auch nicht in meiner Absicht, daß sie es erfährt. Ich konnte meine Bewunderung für so ein prächtiges Exemplar des weiblichen Geschlechts einfach nicht zurückhalten, und so griff ich denn hitzig und voller Leidenschaft zu Feder und Papier, um meine ungezügelte Liebe zu ihr in Verse zu gießen. Selbst ungehobelte Lumpen wie Sie müssen verstehen, was unbezähmbare und unbändige Liebe bedeutet. Liebe, die kundgetan werden muß, ohne Rücksicht auf die Gefahr, die damit verbunden ist. Ich nahm diese Gefahr auf mich, und ich bin stolz. Stolz auf die Früchte der Liebe, die reif vom Baume gepflückt wurden, als zärtliche Gedichte, Darbringungen der Freude über das Glück, ihrer schieren Gegenwart teilhaftig sein zu dürfen. Doch nun habt ihr diese Liebe heruntergezerrt in den Schmutz, indem ihr eure gierigen Blicke auf sie geworfen habt. Ihr habt sie entwürdigt, besudelt, entweiht. Ihr habt eine der glücklichsten Phasen meines
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