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Der schwarze Ballon

Der schwarze Ballon

Titel: Der schwarze Ballon
Autoren: Valerie Frankel
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mit Einkaufstüten. Ich lachte. Die Frau schaute hoch und kreischte: »Bis mal einer ein Auge verliert!« Ich ging raus, Ginger kam rein. Sie kreischte, und ich hörte, wie Skip versuchte, sie zu beruhigen. Sie hat recht: ich bin ein mieses Stück. Aber in diesem Moment hätte ich ums Verrecken nichts anderes sein wollen.

    Santina war in unserem Büro, als ich zurückkam. Sie saß in ihrem Sommernerz auf meinem Schreibtisch, die nylonbestrumpften Beine übereinandergeschlagen, und mampfte Möhren aus einer Papiertüte. Alex saß ihr gegenüber. Sie sagte: »Hu! Hab’ ich dir nicht gesagt, daß Korallenrot nicht deine Lippenstiftfarbe ist?«
    Ich sagte: »Santina, ich hab’ dir doch gesagt, wir sind sehr beschäftigt.«
    Alex sagte: »Sie ist gerade erst vor einer Sekunde reingekommen.«
    Santina streckte den Arm aus und zerstrubbelte Alex die Haare. Sie sagte: »Darling. Ihr zwei solltet heiraten.« Alex und ich wurden rot.
    Ich verlor jetzt langsam die Geduld. »Kannst du es bitte schnell machen, Santi?« fragte ich. »Wir versuchen hier einen Killer zu schnappen.«
    »Du solltest jetzt langsam mal anfangen, deine Bewerbungen zu schreiben. Aber vergiß das jetzt mal für einen Moment. Ich hab’ eine wundervolle Nachricht. Ihr werdet umfallen, wenn ihr sie hört. So eine Nachricht hat man nämlich nicht alle Tage, wenn’s hoch kommt, vielleicht sechsmal im Leben. Selbst dir, Miss Ehe-ist-kein-Thema-meiner-Zukunftsplanung, wird diese Nachricht gefallen.« Sie sagte: »Shlomo und ich werden heiraten.«
    »Das ist ja wunderbar, Santina!« sagte Alex.
    Ich sagte: »Wird auch langsam mal Zeit.«
    »Ist das nicht einfach sagenhaft?« fuhr Santina fort. »Er kam gestern abend vom Segeln zurück. Ich sagte zu ihm: >Shlomo<, sag’ ich zu ihm, >hast du mit dieser alten Schlampe was angefangen?< Daraufhin sagt er: >Sei nicht albern, Santina.< Und da sag’ ich zu ihm: >Shlomo<, sag’ ich zu ihm, >dann laß uns heiraten.< Und wißt ihr, was er gesagt hat? >Okay<, hat er gesagt.«
    »Habt ihr schon einen Termin festgelegt?« fragte Alex.
    »Nein, nein, mein Schatz. Sich zu entscheiden, daß man es macht, ist eine Sache. Zu entscheiden, wann man es macht, ist eine andere. Ich muß mich erst noch an die Vorstellung gewöhnen. Und glaub’ mir, ein Mädchen in meinem Alter hat eine lange Verlobungszeit verdient.«
    »Mädchen in deinem Alter lassen sich normalerweise eine ganze Woche Zeit«, bemerkte ich.
    Santina lachte und sagte: »Also, Wanda. Du weißt doch gar nicht, wie alt ich eigentlich überhaupt bin.« Sie hat recht. Ich hab’ sie immer etwa auf Anfang fünfzig geschätzt, aber bei ihren Make-up-Künsten kann es durchaus sein, daß ich ganz schön danebentippe.
    Ich sagte: »Ich hoffe doch, du lädst uns zur Hochzeit ein.«
    »Machst du Witze? Du wirst meine Brautjungfer sein. Sag’ bloß nicht nein, sonst steig’ ich dir aufs Dach. Und jetzt gib mir ‘ne Zigarette.« Ich gab ihr eine, und sie ging ein Stück von Alex weg, um den Qualm zu genießen. Sie sagte: »Ich weiß nicht, ob ich in Weiß heiraten soll oder nicht. Das ist schließlich meine erste Hochzeit, und wenigstens einmal im Leben sollte jede Frau in Weiß geheiratet haben. Wanda, du kommst morgen mit mir zu Saks, einkaufen. Widerspruch zwecklos. Dieser alberne Fall ist bis dahin vorbei, und es ist höchste Zeit, daß du mal ein Brautkleid zu sehen kriegst, auch wenn es nicht deins ist. Vielleicht probierst du bei der Gelegenheit ja gleich auch mal ein paar an, einfach so, nur zum Spaß. Heiraten ist irgendwie richtig ansteckend. Ich möchte am liebsten gleich alle mit verheiraten. Das Menü hab’ ich schon festgelegt. Nichts zu Schweres, wegen der Tanzerei. Eine gigantische Fruchtskulptur würde sich bestimmt gut als Tafelaufsatz machen, meinst du nicht auch? Trauben, Melonen, Himbeeren, das gesamte Spektrum der Zitrusfrüchte. Nenn’ irgendeine Frucht, und sie wird dabei sein. Und Gemüse. Ein Gebirge von Gemüse. Crudités bis unters Dach.«
    Sie plapperte munter weiter, aber ich hatte mich ausgeklinkt. Etwas spukte in meinem Kopf rum. Ich nahm die Gedichte von meinem Schreibtisch und las sie noch einmal genau durch: Rosinen-Brustwarzen, Weintrauben-Augen, rebengleiche Zunge, Melonen-Hintern, Selleriestengel-Fesseln, Himbeer-Lippen. Eine veritable Produktpalette von Erotika. Aber das war nicht die große Offenbarung. Nein. Mir ging da etwas durch den Kopf, das jemand vor nicht allzu langer Zeit zu mir gesagt hatte. Ich konnte seine Stimme
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