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Der Schuldige: Roman (German Edition)

Der Schuldige: Roman (German Edition)

Titel: Der Schuldige: Roman (German Edition)
Autoren: Lisa Ballantyne
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»Überdosis« ins Ohr, aber Daniel hörte es trotzdem. Minnie zwinkerte ihm zu, um ihm zu verstehen zu geben, dass sie wusste, dass er es gehört hatte.
    In seiner Hosentasche presste Daniel seine Finger gegen die Halskette seiner Mutter. Sie hatte sie ihm vor drei Jahren geschenkt, als sie eine Phase zwischen Liebhabern und Nüchternheit hatte. Es war das letzte Mal, dass ihm erlaubt worden war, sie zu sehen. Schließlich stoppte die Fürsorge alles bis auf überwachte Besuche, aber Daniel büxte immer wieder zu ihr aus. Ganz egal, wo sie auch war, er konnte seine Mutter immer finden. Sie brauchte ihn.
    In seiner Hosentasche fühlte er den ersten Buchstaben ihres Vornamens, S , zwischen seinem Zeigefinger und dem Daumen.
    Auf der Herfahrt hatte die Sozialarbeiterin Daniel im Auto gesagt, dass sie ihn nach Brampton bringe, weil in der Gegend von Newcastle ihn niemand aufnehmen wolle.
    »Es ist ein bisschen weit weg, aber ich denke, Minnie wird dir gefallen«, hatte sie gesagt.
    Daniel schaute weg. Tricia sah wie alle anderen Sozialarbeiterinnen aus, denen er anvertraut worden war: pissefarbene Haare und hässliche Kleider. Daniel hasste sie so wie alle anderen.
    »Sie hat einen Bauernhof und sie lebt allein. Keine Männer . Sollte dir doch recht sein, wenn’s dort keine Männer gibt, he, Kleiner? Da ist dein ganzes Theater unnötig. Du hast Glück, dass Minnie Ja gesagt hat. Inzwischen ist es richtig schwierig, dich unterzubringen. Niemand will Jungen mit allen deinen Flausen. Sieh zu, wie du zurechtkommst, und ich besuche dich Ende des Monats.«
    »Ich möchte zu meiner Mum.«
    »Ihr geht’s nicht gut, Kleiner, deswegen kannst du nicht zu ihr. Es ist ganz in deinem Interesse. Sie braucht Zeit, damit es ihr besser geht, nicht? Du willst doch, dass es ihr besser geht, oder?«
    Als sie weg war, zeigte ihm Minnie sein Zimmer. Sie hievte sich die Treppe hoch, und er beobachtete, wie ihre Hüften nach hinten und nach vorn wogten. Er musste an eine Basstrommel denken, die jemandem in einer Blaskapelle vor die Brust geschnallt ist, und die Filzschlägel bummern den Takt. Das Zimmer lag im Dach des Hauses: ein einzelnes Bett mit Blick auf den Hof hinter dem Haus, wo sie ihre Hühner und den Ziegenbock Hector hielt. Dieser Hof war die Flynn Farm.
    Er fühlte sich wie immer, wenn ihm sein neues Zimmer gezeigt wurde. Ihm war kalt. Er fühlte sich fehl am Platz. Am liebsten wäre er gegangen, aber stattdessen stellte er seine Reisetasche auf das Bett. Die Tagesdecke war rosa, und die Tapete war mit winzigen Rosenknospen übersät.
    »Entschuldige die Farben hier drin. Normalerweise schicken sie mir Mädchen.«
    Sie sahen einander an. Minnie blickte Daniel mit weit aufgerissenen Augen an und lächelte. »Wenn alles gut geht, können wir’s ja ändern, irgendwie. Du kannst dir die Farbe aussuchen, die du haben willst.«
    Er sah auf seine Fingernägel.
    »Deine Unterwäsche kannst du hier reinlegen, Schätzchen. Häng das Übrige dorthin«, sagte sie, während sie ihren massigen Körper in dem engen Raum umherbewegte. Eine Taube gurrte am Fenster, und Minnie klopfte gegen die Scheibe, um sie zu verscheuchen.
    »Hasse Tauben«, sagte sie. »Nichts als Ungeziefer, wenn du mich fragst.«
    Minnie fragte ihn, was er zum Tee wolle, und er zuckte mit den Schultern. Sie sagte, er könne zwischen Hackfleisch-Kartoffelbrei-Auflauf und Corned Beef wählen, und er entschied sich für den Auflauf. Sie forderte ihn auf, sich vor dem Abendessen Gesicht und Hände zu waschen.
    Als sie ihn verließ, nahm er sein Schnappmesser aus der Hosentasche und legte es unter sein Kopfkissen. Auch ein Taschenmesser hatte er in seiner Jeans. Er räumte seine Anziehsachen weg, wie sie es verlangt hatte, seine Socken und das saubere T-Shirt jeweils auf eine Seite der ansonsten leeren Schublade. Sie sahen komisch aus so allein für sich, deshalb schob er sie dicht zusammen. Die Schublade war mit geblümtem Papier ausgelegt, das merkwürdig roch, und er fürchtete, dass seine Sachen auch so riechen könnten.
    In Minnies langem schmalem Badezimmer verriegelte Daniel die Tür und setzte sich auf den Rand der Badewanne. Die Wanne war knallgelb, und die Tapete war blau. Rund um die Wasserhähne sah er Schmutz und Schimmel, und auf dem Fußboden lagen überall Hundehaare. Er stand auf und begann, sich die Hände zu waschen, wobei er sich auf die Zehenspitzen stellte, damit er in den Spiegel sehen konnte.
    Du bist ein fieser kleiner Dreckskerl.
    Daniel fielen diese
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