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Der Schritt hinueber - Roman

Der Schritt hinueber - Roman

Titel: Der Schritt hinueber - Roman
Autoren: Franz Tumler
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selbst, bei der Gesellschaft in ihrem Inneren, und hörte, wie Kolja und Axel miteinander sprachen.
    Sie kennen Kosanna? fragte Kolja.
    Axel sagte: Gewiß, ich kenne sie, wir sind ja gute Freunde, – das stimmt doch, Mascha, wandte er sich an Susanna, es stimmt doch, daß wir gute, alte Bekannte sind?
    Aber wieso sagen Sie Mascha? erkundigte sich Kolja.
    Der Kapitän –, antwortete Axel, er gibt uns ein Beispiel, – als ließe er jemand den Vortritt.
    Und Sie haben immer gewußt? fragte Kolja. Ich meine, ich bitte um Verzeihung, ich höre zum erstenmal …
    Sie meinen den Namen? fragte Axel.
    Ja, ganz recht, den Namen, sagte Kolja. Sie müssen nämlich wissen: auch ich war befreundet mit Kosanna. Ich kann nicht sagen, daß wir alte Freunde sind, wie Sie beide, und gute Freunde, ich weiß nicht. Immerhin habe ich einmal ein Gedicht gemacht, und wenn Sie erlauben …
    Er begann mit schöner lauter Stimme zu singen:
    Kosanna, hier warst du,
    und hier war ich, Kolja,
    und du, Kosanna, hast mir versprochen,
    Kolja, morgen komme ich wieder!
    Eine wehmütige Strophe, sagte Axel.
    O ja, und Sie empfinden es, antwortete Kolja, es ist mir wichtig, daß gerade Sie es empfinden. Denn Sie werden mich nun vielleicht verstehen …
    Ja, was denn, fragte Axel. Sie meinen, ich soll verstehen, daß es auf Mascha geht?
    Wieso auf Mascha? fragte Kolja.
    Aber Sie sehen doch selbst, dort sitzt sie, sagte Axel und streckte den Arm aus, und nun konnte sich Susanna noch einmal sehen, als betrachte sie die Szene, in der sie doch mitspielte, von außen: dieses unvergleichliche Paar in der Mitte des Zimmers – sie selbst neben dem Kapitän. Es war mehr in dem Bild als Mann und Frau, – er mit seinen weißen Haaren, sie, die nicht gewußt hatte, daß sie so aussah, von Anmut erhöht, töchterlich, jungfräulich, – es war etwas darin wie Vater und Tochter. Aber auch das stimmte nicht ganz, denn immer blieb sie die einheimische Frau Jorhan, und er blieb der Kapitän in seiner Machtwolke. Und keinesfalls sahen sie aus wie ein Paar, von dem man erwarten darf, daß es nun zusammenbleiben wird. Dem Kapitän war im Gegenteil anzumerken, daß er keine Zeit hatte und sich hier nur niedergelassen hatte für eine Weile, um alles klarzumachen – und ihr beizustehen. Offenbar hatte er eingesehen, daß es nicht genügte, im Paradies Passierscheine auszustellen.
    Was soll ich sehen? fragte Kolja.
    Wie man es machen muß, antwortete Axel mit aufmerksamem Gesicht. Was ich versäumt habe, – an Stelle der Wahrheit. – Er konnte nicht ein Gedicht sprechen wie Kolja, er konnte nur diese Worte zögernd aussprechen, – wenn Sie das sehen wollen, wenn Sie es annehmen wollen, diese Wahrheit. Ich würde es so sagen.
    Kolja senkte den Kopf: er hatte wohl gesehen, mit seinen beiden Augen, – aber es war doch schwer zu begreifen, was Axel sagen wollte. Aber danach sagte er noch etwas – und nun verstand ihn Kolja ganz genau: Nur eines will ich Ihnen nicht verheimlichen, – mich hat sie geliebt!
    Damit sah er Susanna stumm an, und sie gab ihm den Blick zurück, wie er gesagt hatte: mit Liebe.
    Vor Jorhans Fenster glänzte der Nebel, aber der Mann sah nicht den Nebel, er sah seine Frau, und weil sie gesagt hatte, der Nebel erinnere sie an den Mond, war es auch für ihn der Mondschein ihrer Erinnerung, an dem er teilzuhaben versuchte: er sah Mond und Sternenglanz über dem Bemelmanhof und über Axels Mühle und über seiner Villa, als Susanna den Kapitän dort besucht hatte, ganz so, wie sie es erzählt hatte.
    Aber er sah es nicht als Erinnerung, die ihn ausschloß, – sondern dieses Licht, das zu seiner Frau gehörte, flammte ihm wirklich und gegenwärtig vor dem Fenster in diesem Augenblick, in dem sie wieder die Seine werden sollte: das weiße Kleid, das weiße Licht – Mond, Schnee oder Nebel. – Für die Augen war es wie Schnee; für den Atem ein leicht von Brandgeruch gebeizter Nebel, wie er noch immer von den Ruinen der „Neuen Welt“ strömte. Für Susanna war es der Mond, und daher auch für Jorhan der Mond. Er wußte zwar nicht, wie lange er das behaupten und sich darin festhalten konnte – aber er wollte es tun, um sie nun ganz zu bekommen, er wollte ja alles gern erblicken wie sie.
    Er dachte: es liegt an ihr, sie war immer mein besseres Teil, hat stets solche sonderbaren Empfindungen mitgebracht, hat mich gerührt. Ich brauche sie nur anzusehen, bin ich schon gerührt. Habe ich sie überhaupt jemals richtig verstanden? Es ist ja auch immer
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