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Der Schritt hinueber - Roman

Der Schritt hinueber - Roman

Titel: Der Schritt hinueber - Roman
Autoren: Franz Tumler
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wofür ist das ein Zeichen? Es ist nicht ein Zeichen für Dinge, die sie erlebt hat und mir erzählen kann, sondern für etwas anderes – er konnte es nicht herausbringen, und sie konnte es ihm auch nicht sagen.
    Und sie dachte: wenn ich es ihm jetzt alles erzählen könnte – und ich müßte es tun –, und er würde dann sagen, ich glaub dir, – das würde vielleicht heißen: er liebt mich! – Aber sie konnte es nicht mehr sagen, konnte es nur denken als Erinnerung, weil sie schon einmal von Axel diesen Glauben verlangt hatte, aus Liebe.
    Sie sagte: Soll ich mitkommen?
    Er steckte sich Geld ein, und in der Kantine sah man es gleich, Mann und Frau, ein gutes Paar, und sie suchten gern eine freundliche Menschenherberge auf. Das Lazarett war diese Herberge, die Kantine der Lustort, und die Frau hatte, man wußte es schon, endlich zu Besuch kommen können. Es war für sie wohl alles schlimm gewesen drüben, ganz verwirrt war sie angekommen, aber hier bei ihrem Mann konnte sie Ruhe finden, und es ging ihr auch schon besser. Sie holten sich etwas zu trinken, und die Leute begrüßten sie, und Jorhan mußte für die paar, und auch für den Kantinier, einen ausgeben.
    Alle fanden, daß er eine bezaubernde Frau habe, und der Kantinier schaltete den Lautsprecher ein, und Jorhan sah, wie Susanna mit den Leuten redete. Er bezahlte.
    Der Kantinier drehte noch immer am Lautsprecher und sagte: Aber das ist nicht nett von Ihnen, daß Sie uns Ihre Frau gleich wieder entziehen wollen!
    Die Leute hatten schon ein Viertel der Flasche leergetrunken, für den besonderen Anlaß hatte der Kantinier noch eine gute Flasche aus den Beständen des Lazaretts herausgegeben, reinen Alkohol, mit abgekochtem Wasser versetzt.
    Susanna stand an der Theke, ihr Haar glänzte unter dem Schein der Lampe. Nichts mehr von Staub war an ihr, auch nichts von Ermüdung, ihre Augen leuchteten. Aber nun quält ihn doch nicht länger, sagte sie zu dem Kantinier, wir wollen doch hier nicht einen Abend geben!
    Die Leute dachten: dieser Jorhan, ein guter Bursche und braver Dentist vom Dorf draußen, nun ja, wir sagen Karl zu ihm, wir haben ihn alle gern. Aber da kommt auf einmal heraus, er ist auch ein Glückspilz, man hätte es ihm nicht angesehen, daß er solch eine patente Frau hat!
    Gern hätten sie die beiden noch festgehalten. Aber sie sahen ein, das wäre nicht schicklich gewesen. Sie sagten: Gute Nacht, also, heut seid ihr eine Familie, gute Nacht, Karl, vergiß deine Mütze nicht, und vielen Dank, es war für uns schon ein gemütlicher Abend mit euch!
    Im Flur war es finster, nur von den Türen her fielen dünne Lichtstreifen auf die Fliesen. Im Stiegenhaus brannte die blaue Notbeleuchtung, vom Hof her schien die große Lampe herein. Susanna dachte: sie scheint auch ins Zimmer, und vielleicht macht er gar nicht Licht. Wenn ich ihn nicht deutlich sehe, wird es gehen. Aber wenn er zuviel trinkt – das war keine gute Idee von ihm, daß er etwas zu trinken geholt hat.
    Sie plagte sich noch mit solchen Umständen, aber dann kam es auf Licht oder Trinken nicht mehr an. Auf den Fliesen hinter der Tür klapperten die Absätze ihrer Schuhe. Wie sie da neben Jorhan ging, war sie müde, sie hatte ihre Anmut in der Kantine zurückgelassen. Aber dem Mann fiel das nicht auf. Er hörte das Klappern ihrer Absätze, und es erregte ihn wie eine Zärtlichkeit. Er ließ sie vorgehen. Er wollte auch sehen, daß sie keine Strümpfe anhatte, und er dachte daran, daß ihr Kleid von oben bis unten aufzumachen ging.
    Mit dem Kleid konnte sie ihn täuschen, und mit den Füßen im Takt, den Armen, die sich am Kleid rieben, dem Knistern der Haut und dem zurückgestrichenen Haar, – alle diese Stücke konnte sie ihm überlassen, damit er sie sich zusammensetze zu einem Körper, der mit ihm Schritt hielt. Sie brauchte nicht dabei zu bleiben, hatte nur darauf zu achten, daß alles sich in den Gelenken bewegte. Für sie selber bewegte sichs anders, mit feinen Hämmerchen und Rädern, Drehungen und Verschlingungen im Kopf, ein Hauch öffnete die Türen, machte die Körper schweben und veränderte sie zu ganz neuen Gestalten, nirgendsmehr war man eingesperrt in den Blicken des anderen. Der gestrige Tag kam ins Zimmer, die staubige Straße floß quer über den Flur, Susanna brach im Finihause auf, unsichtbar, ungreifbar war sie nach ein paar Schritten schon bei dem Bild des Fräuleins. Unhörbar für Jorhan entschuldigte sie sich:
    Ich wollte längst schon weg, ich konnte nicht gleich
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