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Der Schreiber von Córdoba

Der Schreiber von Córdoba

Titel: Der Schreiber von Córdoba
Autoren: Melanie Little
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Männer rufen
    gleich hinter mir um Hilfe.
    Ich werde meinen Arm fallen lassen und abdrehen.
    Das beschließe ich.
    Aber Amir packt ihn vorher
    mit beiden Händen
    und ich bin oben.
      
    Moment
    Juden, ein paar Mann von der Besatzung
    und viele Sklaven.
    Wir drängen uns auf diesem Floß so dicht
    wie Fische in einem Netz.
    Noch viel mehr Leute saßen auf dem Schiff in der Falle.
    Es verbrennt am Ufer – ein loderndes Bestattungsfeuer.
    Die meisten unserer Floßkameraden schauen mit
    aufgerissenen Augen zu und können sie nicht abwenden.
    Aber Amir und ich haben zwar die Gesichter dem Schiff zugewandt,
    doch wir haben einander im Auge.
    Schließlich frage ich: »Wie hast du es geschafft?«
    Er hält mir die Handfläche hin.
    Dort liegt ein alter Freund:
    ein Bimsstein.
    Aber er ist zu einer
    sehr feinen Spitze geschliffen.
    Dünn genug, zweifellos, um
    Vorhängeschlösser zu öffnen.
    »Wir sind schon tagelang nicht mehr angekettet«,
    sagt Amir. »Haben nur auf den rechten Moment gewartet.
    Dann ist uns der Moment zugefallen.«
      
    Wahrsagen (2)
    Hinter uns am Ufer
    wartet das Leben von Ramón,
    immer noch Schreiber beim Offizium.
    Warme Betten. Singende Pasteten.
    Vielleicht eines Tages ein Mädchen
    mit blonden Haaren, das am Feuer sitzt
    und näht.
    Vor uns
    nichts als das Meer.
    Sein Gesicht ist dunkel und leer.
    Es gibt mir kein Zeichen, das mich leitet.
    Also schaue ich wieder Amir an.
    Er schaut zurück, aufmerksam,
    als wolle er wahrsagen mit
    dem Buch von Hafis.
    Ich habe keine Antwort für ihn.
    Und er nicht für mich.
    Aber diese Leere selbst –
    ist sie nicht eine neue Seite,
    auf der man beginnen kann?

Einige Begriffe, die in diesem Buch verwendet werden:
    Conversos:
    Eine Bezeichnung für Juden, die zum Christentum übergetreten waren. Man nannte sie auch Neuchristen und manchmal Marranos , was nach Meinung mancher Historiker »Schweine« bedeutet. Vielleicht ist das als ironische Anspielung auf die Tatsache gemeint, dass Juden und angeblich auch viele Conversos kein Schweinefleisch essen.
      
    Mauren:
    Das war bei den Spaniern (und anderen Europäern) das gebräuchlichste Wort für Menschen muslimischen Glaubens. Häufig wurde es als herabsetzende Bezeichnung gewertet.
      
    Moriscos:
    Das Wort bedeutet »maurisch«, wurde aber im Spanischen nur für Muslime gebraucht, die zum Christentum übergetreten waren.
      
    Mudéjar (Plural: Mudéjares):
    Bezeichnete im Spanischen die Muslime, die unter christlicher Herrschaft lebten.
      
    Altchristen:
    Dieser Begriff wurde immer gebräuchlicher, als in Spanien der Wahn von der »Reinheit des Blutes« ausbrach. Wahre Altchristen hatten (soweit man wusste) keine Juden unter ihren Vorfahren. Nach der Einführung der Inquisition in Spanien erforderten viele Arbeitsverhältnisse und die Aufnahme in Vereine den Nachweis, dass die Familie eines Bewerbers seit mindestens sieben Generationen christlich gewesen war.

Epilog
    Drei Ereignisse von historischer Bedeutung fanden 1492 in Spanien in einem einzigen Jahr statt. Granada, die letzte Festung der Mauren in Europa, wurde von den Heeren von Königin Isabella und König Ferdinand erobert: Jetzt war ganz Spanien christlich. Nur Monate später wurden alle noch in Spanien verbliebenen Juden aus den Reichen der Halbinsel vertrieben. Und der Entdecker Christoph Kolumbus setzte, unterstützt von Königin Isabella und angeblich teilweise von Conversos finanziert, die Segel, um einen Seeweg nach China zu finden.
    Unzählige Juden kamen im Gefolge der Vertreibung ums Leben. Manche der Schiffe, in die sie gepfercht wurden, verbrannten tatsächlich, ehe sie überhaupt den Hafen verlassen hatten, andere wurden unterwegs vorsätzlich in Brand gesteckt. Juden wurden samt Frauen und Kindern ausgeraubt, geschlagen und getötet, sei es von Piraten auf See oder Banditen an Land. Manche fanden Zuflucht an verschiedenen Orten überall im muslimischen Osmanenreich, andere wurden von Küsten und aus Städten, in denen sie an Land gingen, wieder vertrieben. Viele Juden ließen sich in Portugal nieder, wo sie anfangs willkommen waren. Aber König Manuel befahl nur fünf Jahre später, 1497, die Zwangstaufe für alle Juden im Land.
    Nach 1500 wandte die Inquisition ihre Aufmerksamkeit den noch in Spanien lebenden Muslimen zu. Es wurden gewaltige Berge von muslimischen Büchern verbrannt, wie hundert Jahre zuvor die jüdischen Bücher. Eine große Kampagne zur Zwangsbekehrung wurde im ganzen Land durchgeführt, und 1526 gab es
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