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Der Schreiber von Córdoba

Der Schreiber von Córdoba

Titel: Der Schreiber von Córdoba
Autoren: Melanie Little
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Gefühl und das Klatschen.
    Als wäre ich der Geschlagene.
    Das Zeichen des Sklaven in seinem Gesicht.
    Direkt dort, wo ich hingeschlagen hatte.
    Das Fühlen seines Gesichts und
    das Klatschen meiner Hand.
    Der Ausdruck in seinem Gesicht.
    Die zugeschlagene, stumme Tür
    seines Rückens. Aufrecht und stolz
    verließ er mich
    für immer.
      
    Wechsel
    Vier Jahre lang habe ich versucht,
    diesen Tag aus meinen Gedanken
    zu verbannen.
    Als Amir nicht mehr nach Hause kam,
    schäumte ich. Mein Messer aus Toledo!
    Aber ich war nicht überrascht.
    Er war immer stolz gewesen.
    Und ich hatte ihn geschlagen!
    Er war weggelaufen.
    So dachte ich.
    Ich sah Bea ein paar Tage später
    im Vorübergehen.
    Auch sie sah mich.
    Und wechselte die Straßenseite, um mir auszuweichen.
    Da machte es klick .
    Ich vermutete, Amir sei weggelaufen,
    ohne ihr mein Geschenk zu geben.
    Deshalb sei sie böse.
    Schockiert stellte ich fest,
    dass es mir egal war.
    Ich hatte schon meine Arbeit
    beim Offizium begonnen.
    Meine Romanze mit Bea
    fühlte sich an wie etwas
    aus der Kinderzeit, eine
    Erinnerung an zu viel Zuckerwerk
    an einem Festtag.
      
    Siesta
    Als ich meine Arbeit
    beim Offizium begann,
    wohnte ich weiterhin
    bei Papa und Mama.
    Aber ich fühlte mich wie im Exil
    in meinem eigenen Zuhause.
    Papa blieb in seinem Zimmer.
    Redete nicht mit mir.
    Ich wusste, dass sie diese Arbeit hassten
    und mir auch zur Last legten, dass Amir
    uns verlassen hatte.
    Sie wussten nicht,
    dass ich ihn geschlagen hatte.
    Aber ich wusste, dass sie wussten,
    ich hatte irgendetwas getan,
    was ihn zum Gehen bewogen hatte.
    Während der Siesta trieb ich mich auf der Straße herum.
    Eines Tages schlenderte ich durch die Stadt,
    da sah mich Bea.
    Diesmal ging sie nicht vorüber.
    Vielmehr eilte sie hinter mir her.
    Ich ging weiter.
    »Ramón, warte.
    Weißt du nicht, wie leid es mir tut?«
    Ihre nächsten Worte schockierten mich.
    Es seien einige Männer da gewesen, und als sie
    Amir – der ja schließlich Maure war –
    ihr weißes Taschentuch gab, müssten sie
    gedacht haben –
    »Wo ist er?«
    »Das weißt du nicht? Aber ich dachte …«
    »Seit jenem Abend ist er weg, Bea.
    Ich fasse es nicht, dass du mir nichts gesagt hast –
    vielleicht ist er getötet worden!«
    »O nein! Er ist in Ordnung! Ich habe gesehen, wie er aufstand und wegging.
    Weißt du – hinterher.«
    »Du hast ihn gesehen ? Ich meine,
    du bist dagestanden und hast zugeschaut?«
    »Ramón, beherrsch dich. Die Leute werden dich hören.
    Ich hatte Angst. Ich habe mich versteckt. Was macht dich
    denn so wütend? Ich hab ihn nicht geschlagen! Meine Güte!
    Er ist nur ein Maure!«
    Ich hatte genug gehört.
    »Er ist mein Freund, Bea, verstehst du?
    Mein Freund .«
    Sie sah verwirrt aus.
    »Aber ich dachte …«
    »Vergiss, was du dachtest.
    Ich wünsche dir Gesundheit.
    Auf Wiedersehen und viel Glück.«
    Ich stürmte davon.
    Na ja, beinahe.
    »Ramón!«
    Ich war schwach. Ich drehte mich um.
    »Wenn er je zurückkommt …«
    »Ja?«
    »Kann ich meinen Zahn wiederhaben?«
      
    Festnahme
    Ihren Zahn ?
    Ich fragte nicht.
    Und das war das letzte Mal, dass ich sie sah.
    Aber ich sah ihren Vater, einige Monate später,
    kurz bevor ich Córdoba verließ.
    Dieser feine familiar
    wurde von zwei Wachen mit Schwertern
    ins Gefängnis geführt.
    Ich erhaschte einen Blick
    auf die Zelle, in die sie ihn sperrten.
    Später am selben Tag machte ich einen Umweg,
    um daran vorbeizukommen.
    Drinnen schluchzte jemand – vielleicht war er es –
    wie ein Kind.
      
    Kleine Geschichten
    Jeden Tag berichte ich dem Offizium.
    Zwölf silberne Armbänder
    Eine kleine, rostige Kette
    Ein silberner Dolch
    Sechzehn Zinnlöffel
    Eine Dame fröstelt in einem dünnen Umhängchen,
    neben dem selbst ein alter Sack wie ein Pelzmantel ausgesehen hätte.
    Zwischen ihr und mir eine zierliche Brosche.
    Sie sieht aus wie ein Käfer,
    der vor mir auf dem Pult sitzt.
    Die Dame sagt:
    Bitte schreibt alles auf,
    wie ich es Euch sage.
    Eine Brosche, gelbgoldener Grund in der Form eins Baums,
    mit elf kleinen Korallen,
    erhalten von Señora Álvaro de Mansares, einer christlichen Näherin,
    anlässlich der Vermählung der Besitzerin – ehemaligen Besitzerin –
    mit Jusef de Ormada, einem Juden, jetzt im Exil in Portugal,
    mit den gemeinsamen Töchtern im Alter von vierzehn und zwölf Jahren.
    Wenn ich mehr Papier hätte, könnte ich
    das ganze Leben dieser Leute aufschreiben.
    (Beim Eintrag für diese Dame fehlt dazu nicht mehr
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