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Der Schneider

Der Schneider

Titel: Der Schneider
Autoren: Carre
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wenig zu prätentiös geraten. Für jemanden wie Pendel wiederum hatte Osnard die nuschelige Ausdrucksweise jener privilegierten Grobiane, die Onkel Bennys Rechnungen schlicht zu ignorieren pflegten. Doch während die beiden Männer redeten und einander zuhörten, kam es Pendel so vor, als entwickle sich zwischen ihnen, wie zwischen zwei Verbannten, so etwas wie eine behagliche Komplizenschaft, in welcher jeder der beiden seine Vorurteile einer förderlichen Koalition zuliebe gern beiseite schob.
    »Bin im El Panama, bis meine Wohnung fertig ist«, erklärte Osnard. »Hätte schon vor einem Monat fertig sein sollen.«
    »Immer das alte Lied, Mr. Osnard. So sind die Handwerker auf der ganzen Welt. Ich habe es schon oft gesagt, und ich sage es auch jetzt. Ob in Timbuktu oder New York, das spielt gar keine Rolle. Die unzuverlässigsten Handwerker sind immer die vom Bau.«
    »Gegen fünf ist doch nicht viel bei Ihnen los, oder? Kein großer Massenandrang?«
    »Um fünf Uhr haben wir unsere blaue Stunde, Mr. Osnard. Da ist meine mittägliche Kundschaft wieder bei der Arbeit, und die anderen, die Vorabendgesellschaft, wie ich sie nenne, ist noch nicht aus dem Bau gekrochen.« Er korrigierte sich mit einem selbstkritischen Lachen. »Aber nein. Was sage ich denn da? Heute ist ja Freitag, da geht meine Vorabendgesellschaft nach Hause zu Frau und Kind. Um fünf Uhr kann ich Ihnen voll und ganz zur Verfügung stehen.«
    »Sie persönlich? Leibhaftig? Die meisten Nobelschneider lassen sich die Arbeit von ihren Handlangern abnehmen.«
    »Ich bin wohl leider noch einer von der altmodischen Sorte, Mr. Osnard. Für mich stellt jeder Kunde eine Herausforderung dar. Ich nehme Maß, ich schneide zu, ich nehme die Anproben vor, und es kümmert mich nicht, wie viele nötig sind, weil mich nur ein perfektes Ergebnis zufriedenstellt. Kein Teil eines Anzugs verläßt dieses Haus, solange es nicht vollständig fertig ist, und ich überwache jede Phase der Herstellung von Anfang bis Ende.«
    »Okay. Wieviel?« wollte Osnard wissen. Es klang freilich eher launig als grob.
    Pendels Lächeln wurde breiter. Wenn er jetzt Spanisch gesprochen hätte, jene Sprache, die ihm zur zweiten Natur geworden war und die er sogar lieber sprach, wäre ihm die Antwort auf diese Frage sehr leichtgefallen. Das Thema Geld bringt in Panama niemanden in Verlegenheit, es sei denn, man hat keins. Doch bei jemandem aus der englischen Oberschicht wußte man nie, wie er reagierte, wenn es um Geld ging, und gerade die Reichsten waren oft auch die Sparsamsten.
    »Ich liefere Spitzenprodukte, Mr. Osnard. Einen Rolls-Royce gibt es auch nicht umsonst, sage ich immer, und das ist bei einem Pendel & Braithwaite nicht anders.«
    »Also wieviel?«
    »Nun, Sir, mit zweitausendfünfhundert Dollar für einen herkömmlichen Zweiteiler muß man schon rechnen, es könnte aber je nach Stoff und Zuschnitt auch mehr werden. Ein Jackett oder ein Blazer kommen auf fünfzehnhundert, eine Weste auf sechshundert. Und da wir leichteres Material bevorzugen und demgemäß ein zweites Paar Hosen dazu empfehlen, gilt für das zweite Paar ein Sonderpreis von achthundert. Vernehme ich da ein schockiertes Schweigen, Mr. Osnard?«
    »Ich dachte, für’n Anzug wären normal zwei Riesen fällig.«
    »Das war auch so, Sir, bis vor drei Jahren. Aber dann ist leider Gottes der Dollar in den Keller gegangen, während wir von P & B in der Pflicht waren, auch weiterhin die besten Stoffe einzukaufen, edelste Stoffe, wie ich Ihnen wohl nicht erst zu erklären brauche, die wir ausschließlich verwenden, ungeachtet der Kosten und meist aus Europa importiert, und das alles« – er war kurz davor, irgendein Fantasiewort wie »Währungsrelationen« zu gebrauchen, hielt sich aber zurück. »Obwohl ich gehört habe, Sir, daß ein guter Anzug von der Stange – nehmen wir einmal einen Ralph Lauren zum Maßstab – auch bereits auf die zweitausend zugeht und gelegentlich sogar schon darüber hinaus. Darf ich ferner darauf hinweisen, Sir, daß wir auch hinterher immer für unsere Kunden da sind? Zu einem gewöhnlichen Herrenausstatter kann man wohl kaum zurückgehen und reklamieren, daß der Anzug ein wenig eng in der Schulter ist, habe ich recht? Jedenfalls geht das nicht ohne zusätzliche Kosten ab. Was genau können wir denn eigentlich für Sie tun?«
    »Für mich? Na, so das Übliche. Erstmal vielleicht zwei Straßenanzüge, und sehen, wie die sitzen. Danach dann eine komplette Ausstattung. Mit allem
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