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Der Schlitzer

Der Schlitzer

Titel: Der Schlitzer
Autoren: Jason Dark
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Wassers erhöht wird. Dementsprechend erhöht sich auch der Auftrieb. Das Wasser muß auch auf eine Temperatur von 36 Grad erwärmt werden. Man hat herausgefunden, daß der menschliche Körper bei dieser Temperatur den größten Auftrieb hat. Es ist im Prinzip eigentlich alles.«
    »Das glaube ich nicht.«
    »Warum nicht?«
    Ich gestattete mir ein Lächeln. »Es sind nur die äußerlichen Voraussetzungen, der Versuchsaufbau gewissermaßen. Die eigentlichen Experimente folgen noch.«
    »Stimmt.«
    »Die haben Sie an sich persönlich vorgenommen, Freeman. Oder auch an anderen Menschen?«
    »Nein, nur an mir.«
    »Sie steigen also in diesen mit Wasser gefüllten Tank?«
    »Stimmt.«
    »Was geschieht dann?«
    Er lächelte. »Die Luke wird geschlossen, der Mensch begibt sich in das Wasser und schwimmt in einer absoluten Dunkelheit, die der des Weltalls gleichkommt. Es gibt kein Licht, es gibt gar nichts, was die Person hätte ablenken können.«
    »Warum muß das so sein?«
    »Ist das nicht klar? Man will sich von jedem anderen Reiz befreien. Man muß allein sein, man darf nichts riechen, nichts schmecken, man merkte ja sein Eigengewicht kaum, und man verliert das Gefühl für Raum und Zeit, Sinclair.«
    »Okay, das weiß ich jetzt. Nur frage ich mich, wozu das gut sein soll. Das gleicht schon einer Folter. Sie kennen den Begriff Dunkelheit, Doktor.«
    Er lächelte wissend. »Das hat man zuerst auch gedacht, als man mit den Versuchen begann, doch es stimmt nicht. Es gibt keine Klaustrophobie und auch keine Wahnvorstellungen, wie zunächst angenommen wurde. Vielleicht Augenblicke der Angst, das gebe ich zu, dann aber verschwindet das Gefühl für Raum und Zeit. Plötzlich merkt der Mensch, wie frei er sein kann. Er entdeckt neue Welten.« Freeman tippte gegen seine Brust. »Die inneren Welten, die Psyche, die Seele. Das ist wie ein Kick, und es ist auch nicht mit Halluzinationen zu vergleichen, die, wenn sie mal auftreten, nicht bedrohlich sind. Ich habe das alles erforschen können, es war ausgezeichnet. Ich war begeistert, so sehr, daß ich den Tank für mich nachkonstruiert habe. Zum Glück besaß ich genügend Geld, um mich unabhängig zu machen. An mir habe ich die Forschungen erweitert und bin bis zum Ziel gelangt. Aber es war ein langer Weg dorthin. Ich habe die Verhaltensforschung und die Psychologie verlassen und mich auf andere Dinge konzentriert, während ich in der Dunkelheit schwamm. Ich merkte, wie gut ich plötzlich wurde. Ich war nie ein blendender Mathematiker, plötzlich gelang es mir, komplette Themen der Mathematik zu begreifen. Ich konnte Aufgaben lösen, an denen ich früher verzweifelt wäre. Ich habe mich auch auf andere Gebiete konzentrieren können. Die Musik, zum Beispiel. Wenn ich im Tank lag, begriff ich sie. Ich wußte mit dem System der Noten umzugehen. Ich traute mir sogar zu, zu komponieren. Es war wunderbar, es ist nicht nur das, dieser Tank ist die Heilungsmethode der Zukunft. Schon jetzt sind Psychiater bereit, ihn sich in ihre Praxen zu stellen, um durch den Trip in die Dunkelheit ihre Patienten zu heilen. Aber auch andere Menschen, die sich einfach nur entspannen möchten, werden sich den Tank bestellen, denn man ist unglaublich entspannt. Eine Stunde im Wasser, dann haben sich die Hirnwellen so verändert, daß sie mit denen eines Mönches in tiefer Meditation zu vergleichen sind. Dieser Tank ist der Weg in die Zukunft, ist das realisierbare Wunder.«
    »Das ist bei Ihnen doch alles nicht eingetroffen, Freeman«, sagte ich.
    »Weshalb nicht?«
    »Sie haben getötet, geschlitzt. Sie sind der Schlitzer, Freeman, Sie sind ein Mörder.«
    Er schüttelte den Kopf. »Ich bin ein Genie.«
    »Und Genies müssen morden?«
    »Ja, es kommt, wie es kommt.« Er zog seine Beine an und legte die Hände um seine Knie. »Das ist eben der Lauf der Dinge, Sinclair. Außerdem bin ich weiter als alle anderen.«
    »Was bedeutet das?«
    »Ich habe die Grenze erreicht«, er legte eine kleine Pause ein, »und sie auch überschritten. Ich bin der einzige, der das geschafft hat, Mr. Sinclair, und das ist genial. Ich habe mich stundenlang in dem Tank aufgehalten. Sogar über Tage hinweg, und ich brauchte nicht einmal etwas zu essen, nur ein wenig zu trinken. Das Wasser war um mich herum, ich schluckte es, und ich erlebte, nicht aufgrund des Schlucks, sondern wegen der Länge der Zeit, die Dinge, auf die jeder Mensch so ungemein wartet. Ich erfuhr die absolute Öffnung des Bewußtseins. Ich sprengte alle Grenzen
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