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Im Gefängnis des Glaubens

Im Gefängnis des Glaubens

Titel: Im Gefängnis des Glaubens
Autoren: Lawrence Wright
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Nachwort
    Wenn Scientology auf einer Lüge beruht, um die Worte zu benutzen, die Tommy Davis in der Diskussion mit dem Team des New Yorker verwendete: Was sagt das aus über die vielen Menschen, die an Hubbards Lehren glauben oder sich – wie Davis und Feshbach – in der Öffentlichkeit für die Organisation und ihre Praktiken verbürgen?
    Natürlich kann keine Religion beweisen, dass sie »wahr« ist. Jedes Glaubenssystem kreist um Mythen und Wunder, die einer Überprüfung durch einen Gelehrten oder Enthüllungsjournalisten kaum standhalten würden und leicht als Lügen bezeichnet werden können. Ritt Mohammed tatsächlich auf dem Rücken seiner legendären Stute Burak zum Himmel? Trafen sich die Jünger Jesu tatsächlich nach seiner Beisetzung mit ihrem wieder auferstandenen Meister? Waren das Wunder, Visionen oder Lügen? Könnten die Religionen ohne solche Mythen überleben?
    Es steht außer Frage, dass der Glaube positive Wirkungen haben und das Leben eines Menschen verändern kann. Viele gegenwärtige und ehemalige Scientologen haben den Nutzen des Trainings und der beim Studium der Religion gewonnenen Erkenntnisse bestätigt. Sie haben das Recht zu glauben, was immer sie wollen. Aber es ist etwas anderes, unter dem Schutz, den die amerikanische Verfassung allen Glaubensgemeinschaften gewährt, die Geschichte zu fälschen, Unwahrheiten zu verbreiten und Menschenrechtsverstöße zu vertuschen.
    Hubbard schrieb einmal, »die alte Religion« – womit er das Christentum meinte – beruhe auf einer »sehr schmerzhaften Lüge«, nämlich der Vorstellung vom Himmel. »Ja, ich war im Himmel. Und dasselbe gilt für Sie«, schrieb er. »Es gab dort Tore, Engel und Gipsheilige – und elektronische Implantationsausrüstung.« Der Himmel, erklärte er, sei vor 43 Billionen Jahren als Implantationsstation errichtet worden. »Es gibt also doch einen Himmel – was der Grund dafür ist, dass Sie auf diesem Planeten sind und dazu verurteilt waren, nie wieder frei zu sein – bis Scientology kam.« Er fuhr fort: »Was bedeutet das für die religiöse Natur der Scientology? Es festigt sie. Neue Religionen bringen stets die falschen Götter der alten zu Fall und bringen dem Menschen etwas Besseres. Wir können den Menschen verbessern. Wir können ihm zeigen, dass die alten Götter falsch sind. Und wir können das Universum in einen glücklicheren Ort verwandeln, in dem sich der Geist entfalten kann.« 1229
    Man könnte Scientology mit der Kirche der Heiligen der Letzten Tage vergleichen, einer Religion, die im 19. Jahrhundert entstand. Joseph Smith, der Gründer der Bewegung, behauptete, im Jahr 1827 im Bundesstaat New York von dem Engel Moroni ein Paar goldener Platten sowie zwei magische »Sehersteine« erhalten zu haben, die ihn in die Lage versetzt hätten, die Texte auf den Platten zu verstehen und zu übersetzen. Drei Jahre später veröffentlichte er The Book of Mormon. Dievon ihm gegründete Mormonenbewegung löste die schlimmste Episode religiöser Verfolgung in der amerikanischen Geschichte aus. Im ganzen Land wurde Jagd auf die Mormonen gemacht, weil sie die Vielehe praktizierten und als Häretiker galten. Smith selbst wurde in Carthage in Illinois von einer wütenden Menschenmenge gelyncht. Seine bedrängten Anhänger versuchten aus den Vereinigten Staaten zu fliehen und auf dem Gebiet von Utah, das sie Zion nannten, eine Theokratie zu errichten. Der Hass auf die Mormonen war derart groß, dass im Kongress eine Gesetzesvorlage eingebracht wurde, um sie auszurotten. Trotzdem entfaltete sich das Mormonentum und zählte im 20. und zu Beginn des 21. Jahrhunderts zu den am schnellsten wachsenden Religionsgemeinschaften. Mittlerweile kandidieren bekennende Anhänger dieses Glaubens für das Amt des US-Präsidenten. Das Glaubensbekenntnis der Mormonen, das einst bekämpft wurde, weil es nach Ansicht vieler Leute unamerikanische Wertvorstellungen verbreitete, gilt heute weltweit als die amerikanischste aller Religionen, und auch viele Mormonen sind dieser Meinung. Dieser Wandel zeigt nicht nur, wie erfolgreich diese Religion ist, sondern sagt auch einiges über die Anpassungsfähigkeit von Glaubensgemeinschaften.
    Der Erfolg ändert nichts daran, dass Joseph Smith zweifellos ein Lügner war. Als ihm Polygamie vorgeworfen wurde, behauptete er, nur eine Frau zu haben. In Wahrheit hatte er einen Harem um sich geschart. Im Jahr 1835 ereignete sich eine ebenso sonderbare wie aufschlussreiche Episode: Smith kaufte bei einem
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