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Der Schlaf und der Tod: Thriller (German Edition)

Der Schlaf und der Tod: Thriller (German Edition)

Titel: Der Schlaf und der Tod: Thriller (German Edition)
Autoren: A. J. Kazinski
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schließlich in einer Institution gelebt hatte, weil das wirklich besser für ihn gewesen war. Er verlangte zu viel Pflege, und Hannah war allein mit ihm. Johannes hatte sich an einem Mittwoch das Leben genommen. Und es war ein Mittwoch, an dem Niels aufgetaucht war – einige Zeit später. Er hatte sie unten am Wasser entdeckt. Ein psychisches Wrack. Ner venschwach, isoliert, außerstande, soziale Bindungen einzugehen. Wegen einer Routinesache war er bei ihr aufgetaucht, aber irgendwie fand sie, dass er weder wie ein Polizist aussah noch sich wie einer verhielt. Umgekehrt wirkte sie – seiner Meinung nach – auch nicht gerade wie eine Astrophysikerin. Sie war es gewesen, die später bei ihm angerufen hatte. Tatsächlich. Er hatte sie gefunden, aber sie hatte ihn festgehalten. Über den Fall, bei dem sie ihm geholfen hatte, redeten sie nie. Vielleicht weil sie beide in einen Verkehrsunfall verwickelt und schwer verletzt gewesen waren. Operationen, Brüche, Verbände. Hannah war im Krankenhaus sogar wiederbelebt worden. Ihr Leben war neu gestartet worden, so empfand sie das auf jeden Fall selbst. Und es war Niels gewesen, der ihr Herz wieder in Gang gebracht hatte. Für die Ärzte war es ein Wunder gewesen, dass sie überlebt hatten. Ein Wunder . Nach einer Weile war anstelle des Wunders der Alltag getreten, mit Wäschewaschen und Einkaufen. Sie waren zu dem Schluss gekommen, dass es an der Zeit war, nach vorne zu schauen und ihr Leben weiterzuleben. Niels war nach Südafrika geflogen, um die Beziehung mit seiner Frau wieder aufzunehmen. Doch eine Woche später war er wieder da gewesen. War frisch geschieden bei Hannah aufgetaucht. Eigentlich hatten sie nur Kaffee trinken wollen. Sie hatte Winterlinge in kleine Tässchen mit Wasser gesetzt, Blumen ohne Stiele, die frei herumschwammen, die wie Sonnenstrahlen auf kleinen Pfützen leuchteten und sich leicht bewegten, als Niels hereinkam. Und er hatte das bemerkt. Das war es ja gerade. Er bemerkte alles. Nicht weil er Polizeiunterhändler war. Sondern genau umgekehrt. Er war Unterhändler geworden, weil er einfach alles sah. All das, wofür Hannah keinen Blick hatte. Und wenn jemand als Geisel genommen worden war, dann sie, eingesperrt in ihrem schmächtigen Körper, einzig in Gesellschaft ihres beinahe krankhaften Schuldgefühls. Wegen des Kindes, das sie vor Jahren verloren hatte. Und jetzt war ein neues Kind unterwegs.
    Hannah Lund ließ ihren Blick noch einmal über den Hafen von Kopenhagen schweifen. Sie musste abtreiben. Niels würde ihr niemals verzeihen. Aber musste er es denn überhaupt erfahren? Konnte man ein solches Geheimnis für den Rest seines Lebens mit sich herumtragen? Ein kleines Leben zu nehmen, eine un geborene Seele umzubringen? Aber vermochte sie überhaupt, über ein anderes Leben zu richten? Richter . Das sollte ihre Rolle sein. Richter in einem Prozess, in dem ihr ungeborenes Kind der Angeklagte war. Sollte es leben oder sterben? Das war die Frage. Unerträglich, ja. Und unmenschlich. Aber sie kam nicht darum herum.
    Sie drückte die Zigarette aus und wedelte eine Mücke weg. Sah in den Himmel. In zwei Tagen sollte es eine Mondfinsternis geben. Sie hatte sich darauf gefreut, Niels dieses Phänomen zu zeigen. Ihm zu erklären, was da passierte. Dass die Erde sich zwischen Sonne und Mond schob, sodass wir kurz die Kontur der Erde sehen können, wie in einem Spiegel. Aber das war vorher gewesen, bevor …
    Sie ging auf den Balkon. Irgendwie war das zu einem Ritual für sie geworden. Sie mochte Wiederholungen. Ging immer mit einer Tasse Kaffee und einer Zigarette nach draußen. Um die Stadt erwachen zu sehen. Zu beobachten, wie die Luft über Kopenhagen langsam heller wurde, bis sie schließlich fast weiß war. Die Sonne stand bereits hoch am Himmel, bald würde alles erfüllt sein vom Schreien der Möwen und dem Kreischen und Rufen unten aus dem Hafenbad. Die Kopenhagener mussten aus ihren Häusern und die Pfingstsonne genießen. Sie stand oft draußen auf dem Balkon und sah den Kindern beim Spielen zu. Oder den Müttern und Lehrern, die ihnen besorgt nachblickten, wenn sie ins Wasser sprangen. Kinder . Wie sollte der Prozess vor sich gehen?, fragte Hannah sich. Alles musste richtig ablaufen. Sie musste Zeugen befragen. Und sie brauchte einen Anklagevertreter und einen Rechtsanwalt. Alle Seiten des Falls mussten beleuchtet wer den, schließlich ging es um Leben und Tod. Sollte das Kind leben oder sterben? Sie sah, wie Niels die Autotür öffnete
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