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Der Schimmer des Ledger Kale

Der Schimmer des Ledger Kale

Titel: Der Schimmer des Ledger Kale
Autoren: Ingrid Law
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eine Art Gewächshaus für Insekten – ein Terrarium für Giganten. Im Inneren des Insektenhauses konnte man Stabheuschrecken begegnen, die so dünn waren wie Strohhalme und so lang wie Männerunterarme, oder Goliathkäfern, die so groß waren, dass sie beim Davonfliegen wie Helikopter klangen. Auch Schmetterlinge gab es dort – Schmetterlinge in Hülle und Fülle. Dieses Gebäude war ein Zoo. Oder ein Albtraum.
    Vielleicht hatte mein Schimmer doch sein Gutes. Ich hatte noch nie viel für Rieseninsekten übrig gehabt, weshalb ich schon seit Jahren nicht mehr im Insektenhaus meines Onkels gewesen war. Und meine neuen Talente lieferten mir nun weniger peinliche Ausreden für mein Fernbleiben.
    Sarah Jane schien, während sie die Szenerie begutachtete, mit dem Gedanken zu liebäugeln, sich als Partyschreck unter die Hochzeitsgäste meines Cousins zu mischen und sich dabei Notizen zu machen.
    »Du solltest gar nicht hier sein«, knurrte ich durch zusammengebissene Zähne. »Du bringst mich noch in Schwierigkeiten. Wie bist du in unser Auto gekommen?«, erkundigte ich mich erneut.
    »Frag deine Schwester«, antwortete Sarah Jane. »Sie hat mich praktisch dazu eingeladen, so weit, wie sie die Tür offen gelassen hat. Als ich hörte, was sie Willie über die große Party erzählt hat, die hier heute Abend steigt, dachte ich mir, das seh ich mir mal selbst an. Hochzeiten werfen schließlich immer eine gute Schlagzeile ab!« Sie wedelte mit ihrem Notizblock. »Und bringen unter Garantie eine Riesenauflage. Allerdings konnte ich mich gerade noch rechtzeitig verstecken, ehe du ins Auto geklettert kamst, Cowboy.« Sie machte eine Pause und musterte mich, als wäre ich ein sechsbeiniges Kalb und kein Cowboy. Ich widerstand dem Bedürfnis wegzurennen und versuchte, keine Miene zu verziehen, während Sarah Jane mich unverwandt anstarrte.
    »Du hast ja ganz schön randaliert in der Stadt.« Sarah Jane schlug eine leere Seite in ihrem Block auf. »Ich hab noch nie einen Jungen gesehen, der so viel auf einmal kaputt gemacht hat. Darf ich dir ein paar Fragen dazu stellen?«
    »N-nein! Auf keinen Fall«, stammelte ich. Ich wollte weder mit ihr noch mit irgendjemand sonst über das sprechen, was in Sundance passiert war. Jetzt nicht. Und auch später nicht. Ohne Sarah Jane eines Blickes zu würdigen, klemmte ich mir Moms und Dads Koffer unter den Arm und hängte mir Fedoras Beutel über die Schulter.
    »Du musst jetzt gehen!« Ich packte die Henkel der Kühlbox und versuchte, alles gleichzeitig zu tragen. Dabei fühlte ich mich wie ein Packesel, der auf Rollerblades in den Grand Canyon einfährt: Es ging alles mit rasender Geschwindigkeit bergab.
    »Ich glaub, ich bleibe hier«, erwiderte Sarah Jane, als wäre einfach dadurch, dass sie es sagte, alles in bester Ordnung.
    »Nein, das geht nicht«, erwiderte ich hastig.
    »Warum nicht?«
    »Weil!«, antwortete ich und wünschte mir, ich hätte nur ein Itzelchen von Moms Talent.
    »Ach, komm schon, Cowboy! Ich verspreche auch, mich unauffällig im Hintergrund zu halten. Du wirst mich nicht mal sehen. Ich arbeite undercover .«
    Ich schnaubte und dachte an meinen Cousin Samson. »Glaub mir, ich würde dich sehen. Ich kenne tatsächlich Leute, die ich nicht sehen kann , aber zu denen gehörst du nicht.«
    Das Mädchen musste grinsen. »Ich mag dich, Cowboy«, sagte sie. »Du bist lustig.« Dann verschwand das Lächeln und sie kniff die Augen zusammen. »Moment mal. Ist das dein Ernst? Erzähl mir mehr über diese Leute, die man nicht sehen kann.« Sarah Jane zog aus einem ihrer Zöpfe einen Bleistiftstummel, leckte die Spitze an und drückte ihn aufs Papier.
    Ich warf erneut einen Blick auf die Zeitungen im Kofferraum unseres Autos und schüttelte den Kopf, als ich den Namen las: Sundance Express. Kuriose Nachrichten aus der Region . Sarah Jane hatte offensichtlich ein gutes Näschen, wenn sie sich heimlich hier einschmuggelte.
    »Vergiss alles, was ich gesagt habe«, antwortete ich. »Und hör auf, mich Cowboy zu nennen. Ich heiße Ledge.« Während ich sprach, kam plötzlich ein Windstoß aus der Haustür. Der Wind kam von drinnen  – und blies nach draußen . Ich wusste haargenau, wer für den Wirbelwind im Haus verantwortlich war.
    Selbst hier draußen blies Fish Beaumonts Brise noch so stark, dass das Windrad hinter der Scheune in Bewegung geriet und die Fähnchen aufgeregt flatterten. Sarah Janes Zeitungen wurden aus dem Kofferraum gewirbelt. Ihre Zöpfe peitschten im Wind hin und
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