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Der Schatten von Thot

Der Schatten von Thot

Titel: Der Schatten von Thot
Autoren: Michael Peinkofer
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Handbewegung. »Und Kincaid Manor hat sich offenbar ebenfalls nicht verändert.«
    »Der Eindruck täuscht«, entgegnete Sarah. »Es ist nicht mehr dasselbe seit Vaters Tod. Sein Wissensdurst und sein unermüdlicher Forscherdrang haben dieses Haus mit Leben erfüllt. Ich versuche, seine Arbeit fortzusetzen, so gut ich kann, aber…«
    »Ich bin sicher, du gibst dein Bestes. Und ich bin ebenso sicher, dass dein Vater sehr stolz auf dich wäre, Sarah.«
    »Glaubst du?«
    »Ich bin überzeugt davon. Man kann viel über den alten Gardiner Kincaid behaupten, aber nicht, dass er aus seinem Herzen eine Mördergrube gemacht hätte. Abgesehen von seiner Arbeit, warst du der Mittelpunkt seines Lebens, Sarah – und es hätte ihn sehr gefreut zu sehen, dass du seine Forschungen weiterführst.«
    »Ich versuche es«, erwiderte sie und zwang sich zu einem Lächeln, um dann rasch das Thema zu wechseln. »Wie lange wirst du bleiben, Onkel Mortimer? Es gibt so viel zu erzählen…«
    »In der Tat.« Laydon nickte. »Es gibt dringliche Angelegenheiten zu besprechen, deshalb bin ich hier.«
    »Dringliche Angelegenheiten?« Sarahs Miene verfinsterte sich erneut. »Von was für Angelegenheiten sprichst du? Ich dachte, du wärst gekommen, um mich zu besuchen…«
    »Das bin ich«, versicherte er. »Aber das ändert nichts daran, dass ich wichtige Nachrichten im Gepäck habe, Sarah.«
    »Nachrichten? Was für Nachrichten?«
    »Gute Nachrichten. Nachrichten vom königlichen Hof.«
    »Das sollte mich wundern«, entgegnete sie sarkastisch. »Vom königlichen Hof sind noch selten gute Nachrichten gekommen, zumal, wenn sie meine Familie betreffen. Ich erinnere mich noch gut an die Depesche, die Alexandrien betraf…«
    »Alexandrien hat damit nichts zu tun«, stellte Laydon klar. »Du tätest gut daran, die Vergangenheit ruhen zu lassen, Sarah.«
    »Ich soll die Vergangenheit ruhen lassen?« Sie lächelte dünn. »Du vergisst, dass ich Archäologin bin, Onkel. Es ist meine Profession, im Boden zu graben und ihm die Geheimnisse der Vergangenheit zu entreißen.«
    »Vielleicht«, gab der Doktor zu. »Aber sicher ist es nicht deine Berufung, dich selbst zu vergraben und in der Vergangenheit zu leben. Das hätte dein Vater nicht gewollt. Bitte, Sarah. Hör dir zumindest an, was ich zu berichten habe.«
    Lady Kincaid schaute lange und prüfend in die von weißem Haar umrahmten, aber noch straff und jugendlich wirkenden Züge ihres Paten. Die letzten Monate hatte sie damit zugebracht, über Büchern und alten Folianten zu brüten, und dabei mehr über ihre eigene Vergangenheit nachgedacht als über die versunkener Völker und Kulturen. Möglicherweise hatte ihr Onkel Recht. In den vergangenen Monaten hatte Sarah gehofft, vergessen zu können, was in Ägypten geschehen war, und es war ihr nicht gelungen. Vielleicht konnte ihr väterlicher Freund und Pate ihr dabei helfen. Schließlich hatte er schon ihrem Vater stets mit Rat und Tat zur Seite gestanden.
    »Einverstanden, Onkel Mortimer«, erklärte sie sich deshalb vorsichtig bereit. »Unter einer Bedingung.«
    »Nämlich?«
    »Da du deinen Besuch rechtzeitig angekündigt hast, habe ich die Küche angewiesen, ein spätes Dinner zu bereiten. Wenn es dir recht ist, werden wir zunächst zu Abend essen und danach bei einem guten Glas Claret über alles reden.«
    »Bei einem guten Glas Claret?« Laydon schürzte anerkennend die Lippen. »Warum hast du das nicht gleich gesagt? Es freut mich zu hören, dass die Segnungen der Zivilisation nicht völlig spurlos an Kincaid Manor vorbeigegangen sind.«
    »Also abgemacht?«, fragte Sarah.
    Laydon nickte.
    »Abgemacht.«
     
     
    Die Köchin von Kincaid Manor – eine betagte Frau aus den Midlands, die schon für Sarahs Vater gearbeitet und für ihn gekocht hatte, als dieser noch in Oxford weilte – hatte ein Mahl aufgetragen, das selbst dem verwöhnten Gaumen Mortimer Laydons Anerkennung abverlangte. Auf eine delikate Hühnersuppe folgten zwei Gänge mit Lammkoteletts und Truthahn, zu denen Gemüse und Salat sowie französischer und englischer Senf gereicht wurden. Den Abschluss des Mahls bildeten Schokoladencreme und Walnüsse.
    »Vorzüglich, mein Kind«, lobte der Doktor und verabschiedete den bittersüßen Geschmack der Schokolade mit einem Schluck Wein. »Wer hätte gedacht, dass man im fernen Yorkshire solche Genüsse kennt? Auf Gardiner Kincaid, den besten Freund, den sich ein Mann wünschen kann – und den besten aller Väter. Möge er in Frieden
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