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Der Schatten im Wasser

Der Schatten im Wasser

Titel: Der Schatten im Wasser
Autoren: Inger Frimansson
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falsch ausdrückte. Ansonsten unternahm sie nämlich nicht viel, um die schwedische Sprache zu lernen.
    »Mein Mann mag, wenn ich so spreche«, pflegte sie zu sagen. »Er findet, klingt exotisch.«
    Sie war mit Tommy, einem Polizisten, verheiratet.
    Früher hatte sie öfter ihre Tochter Christa dabeigehabt, wenn sie putzte. Damals, als Christa noch kleiner war. Das Mädchen war blind wie ein Katzenjunges auf die Welt gekommen und würde niemals sehen können.
    »Was meinst du?«, hakte er nach. »Wie, nicht erzählt?«
    Sie räusperte sich. »Ich weiß nicht. Aber etwas ist in der Luft. Heute ist nicht so gut, fürchte ich.«
    Sie konnte sich zuweilen recht kryptisch ausdrücken. Außerdem lag es auf der Hand, dass man sich alles andere als gut fühlte, wenn man so zugerichtet war wie sie.
    »Vielleicht liegt ein Gewitter in der Luft«, sagte er ausweichend.
    Ariadne runzelte die Stirn.
    »Ich weiß nicht.«
    »Warst du auf dem Weg nach draußen?« Hans Peter deutete auf den Einkaufsbeutel über ihrer Schulter. Sie glättete ihr T-Shirt, das über ihren hervorquellenden Bauch und den üppigen Hintern reichte. Die Jeans lagen eng an, sie schien es zu lieben, enge, helle Hosen zu tragen, die sie noch dicker erscheinen ließen. Ihr drahtiges Haar war dunkelgelockt, sie strich es hinter die Ohren und versuchte zu lächeln. Ihre misshandelten Lippen zitterten.
    »Muss neue Wettex kaufen«, nuschelte sie. »Wettex-Packung ist leer, du weißt, Spüllappen, leer.«
    »Ja, klar. Ich verstehe.«
    »Ich nicht putzen kann, muss putzen.«
    »Okay, ich werde dich nicht aufhalten.«
    Ariadne wollte losgehen, hielt aber inne.
    »Du bist schnell heute«, sagte sie, als merke sie erst jetzt, dass er früher als sonst gekommen war.
    »Früh«, berichtigte er.
    Sie lächelte unsicher. Ihre Nasenflügel bebten.
    »Ja, früh.«
    »Uffe möchte mit mir reden. Hast du ihn gesehen?«
    »Dort oben.« Ariadne zeigte in Richtung Treppe.
    »Okay, dann gehe ich hoch.«
    Sie wollte gerade die Tür öffnen, hielt jedoch erneut inne. Schüttelte den Kopf, bedrückt. Er wurde nervös.
    »Was ist?«, fragte er schnell.
    »Nichts weiter. Ich bald zurück.«

DIE WÄRME WAR IN der Woche gekommen, als sie Schweden verlassen hatten. Eine stickige und überraschende Hitze, die die Menschen dazu verführte, sich zu entspannen und weniger aktiv zu sein, obgleich es eigentlich viel zu spät im Jahr war. Die Ferien waren für die allermeisten vorbei. Fast der gesamte Sommer war verregnet gewesen.
    »Clevere Planung«, scherzten Jills Kollegen im Manöverturm. »Sobald es hier in der Stadt nahezu erträglich wird, streichst du die Segel.«
    Sie hatte ihre Schicht beendet, und vor ihr lagen neun freie Tage. Seit Jahren schon verspürte sie keine Lust mehr auf Sonnen- und Badeurlaub. Stattdessen fuhr sie jetzt mit Tor in eine Region, in der der Tiefdruck geboren wurde.
    Ist es ihm gegenüber fair? Sie dachte darüber nach, als das Flugzeug sich im Landeanflug zwischen den Regenwolken über Tromsø befand. Hätte ihm nicht möglicherweise ein Sangria in der Sonnenglut einer engen kleinen Gasse, irgendwo mit gespannten Wäscheleinen zwischen den Häusern und träge vor sich hindösenden Hunden besser gefallen?
    Sie fand es schwer, ihn einzuschätzen, herauszufinden, was er wollte.
    »Fährst du?«, fragte sie und reichte ihm die Schlüssel des Leihwagens. Er nickte. Sobald er im Auto saß, drehte er die Heizung im Innenraum auf die höchste Stufe.
    Vom Beifahrersitz aus konnte sie ihn betrachten, ohne dass er sich zurückzog. Er war immer mager gewesen, mit den markanten Gesichtszügen eines Rauchers, diesen scharfen Linien, die wie traurige Klammern beidseits der Nase nach unten verliefen, die Lippen waren schmal und glichen äußerst dünnen Strichen. Er war jetzt 54, ein paar Jahre älter als sie. Seine Augenbrauen waren gröber und buschiger geworden. Sein Haar war zu lang, es kräuselte sich im Nacken, schüttere Strähnen. Er saß mit hochgezogenen Schultern und leicht nach vorn gebeugt da, angespannt. Sie schaute auf seine Hände am Lenkrad und unterdrückte den Impuls, sie zu berühren.
    »Hier ist es erstaunlich grün«, stellte sie fest. »Richtig fruchtbar. Das hätte ich nicht erwartet.«
    Wiesenklee und Glockenblumen. Üppig wogendes Gras. Große lilafarbene Felder mit Weidenröschen. Sie pflückte eines am Wegesrand, als sie eine Pause einlegten.
    »Die kann man nicht ins Wasser geben«, erklärte er.
    »Nein?«
    »Das sind typische Wiesenblumen. Sie
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