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Der Schatten im Norden

Der Schatten im Norden

Titel: Der Schatten im Norden
Autoren: Philip Pullman
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etwas tun, um mein Geld zurückzubekommen?
Ich habe nämlich den starken Verdacht, dass hier keine
Verkettung unglücklicher Umstände vorliegt, sondern
Betrug. «
    Sally legte den Ordner mit den Ausschnitten auf den
Boden und griff zu Bleistift und Notizbuch.
»Sagen Sie mir bitte alles, was Sie über die Firma
wissen«, sagte sie. Miss Walsh begann. Sie war eine
kluge Frau und brachte die Tatsachen in der richtigen
Reihenfolge zur Sprache. Viele waren es freilich nicht;
da sie ohne Kontakte zur Geschäftswelt fernab in
Croydon lebte, war sie auf das angewiesen, was man aus
der Presse erfahren konnte.
Die Anglo-Baltische Schifffahrtsgesellschaft, erinnerte
sie Sally, war vor zwanzig Jahren gegründet worden, um
vom Holzhandel zu profitieren. Das Unternehmen wuchs
langsam, aber stetig mit dem Transport von Holz, Pelzen
und Eisenerz aus dem baltischen Raum und von
Maschinenteilen und anderen Industriegütern aus
englischen Häfen.
Vor zwei Jahren war das Unternehmen nach einem
internen Streit von einem der Partner aufgekauft oder
übernommen worden --- war das rechtlich überhaupt
möglich?, fragte sich Miss Walsh. Sie war sich nicht
ganz sicher. Jedenfalls machte von da an der Umsatz
einen Sprung nach vorn, wie eine Lokomotive, deren
Bremsen plötzlich gelöst werden. Neue Schiffe wurden
angeschafft, neue Handelspartner gefunden, eine
Nordatlantik-Linie eingerichtet. Im ersten Jahr unter der
neuen Geschäftsführung schnellten die Gewinne in die
Höhe, was für Miss Walsh - und hunderte andere auch ---
der Grund war, ihr Geld zu investieren.
Dann kam der erste der scheinbar zusammenhanglosen
Schicksalsschläge, mit denen die Gesellschaft in ebenso
kurzer Zeit in den Konkurs getrieben wurde. Miss Walsh
hatte auch darüber alle Einzelheiten im Kopf, und wieder
war Sally beeindruckt, wie gut die alte Dame über die
Fakten Bescheid wusste, mehr aber noch, wie sehr sie
Haltung zu bewahren verstand, denn offensichtlich
musste sie sich nun, nachdem ihre Hoffnung auf einen
Lebensabend in bescheidenem Wohlstand zerronnen war,
mit einer Existenz am Rande der Armut begnügen.
Gegen Ende von Miss Walsh' Ausführungen fiel der
Name Axel Bellmann, bei dem Sally plötzlich aufblickte.
»Bellmann?«, fragte sie. »Der Zündholzfabrikant?« »Ich
weiß nicht, was er sonst noch ist«, sagte Miss Walsh. »Er
hatte keine engere Beziehung zur Firma. Ich habe seinen
Namen zufällig in einer Zeitungsmeldung gelesen. Ihm
gehörte, glaube ich, die Fracht, mit der die Ingrid Linde unterwegs war, als sie sank. Irgendwelche Maschinen.
Warum fragen Sie? Wissen Sie etwas über Mister
Bellmann?«
»Er ist der reichste Mann Europas«, sagte Sally. Miss
Walsh blieb einen Augenblick stumm. »Schwedische
Zündhölzer«, sagte sie schließlich. »Richtig. Er hat
anscheinend sein Vermögen im Zündholzhandel
gemacht... Aber wenn ich mich recht erinnere, gab es da
einen Skandal. Ich habe Gerüchte gehört, als er vor
einem Jahr in London auftauchte. In Schweden waren
seine Fabriken wegen gesundheitsgefährdender
Arbeitsbedingungen vom Staat geschlossen worden »Mädchen mit Kiefertumoren«, sagte Miss Walsh.
»Arme Geschöpfe, ich habe darüber gelesen. Eine
schlimme Art, zu Reichtum zu kommen. Ist mein Geld
auch in diese Branche geflossen?« »Soweit ich weiß, ist
Mister Bellmann schon eine ganze Weile nicht mehr in
der Zündholzindustrie. Und über seine Verbindungen mit
der Anglo-Baltischen Schifffahrtsgesellschaft wissen wir
auch nichts. Nun, Miss Walsh, ich bin Ihnen wirklich
dankbar. Und ich versichere Ihnen, wie Leid mir das alles
tut. Ich werde Ihr Geld wieder zurückholen ---«
»Sagen Sie das nicht«, versetzte Miss Walsh in einem
Ton, den sie wohl früher gegenüber leichtsinnigen
Schulmädchen angenommen hatte, die meinten, sie
könnten Prüfungen bestehen, ohne dafür zu arbeiten. »Ich
will keine Versprechen, sondern Informationen. Ich
bezweifle sehr, dass ich mein Geld jemals wieder sehe,
aber ich möchte gern wissen, wohin es gegangen ist. Nur
darum bitte ich Sie, dass Sie das für mich herausfinden. «
Sie blickte so streng, dass ihre Schulmädchen wohl
klein beigegeben hätten. Doch Sally war anders weswegen Miss Walsh ja auch zu ihr gekommen war und entgegnete ihr mit fester Stimme: »Wenn Leute von
mir Rat in Finanzanlagen erbitten, kann ich unmöglich
hinnehmen, dass sie wegen mir ihr ganzes Geld verlieren.
Deshalb will ich nicht gönnerhaft behandelt werden,
wenn so etwas einmal passiert. Das ist auch ein Schlag
für
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