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Der Schacht

Der Schacht

Titel: Der Schacht
Autoren: David J. Schow
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hinterließ ein kleines beschlagenes Oval auf dem Fenster.
    Ihre Eltern waren keinerlei Hilfe mit ihren regelmäßigen Fragen, mit wem sie sich traf. Diese Frage stand wie eine scharfe Bombe hinter jedem Telefongespräch, hinter jeder oberflächlichen Unterhaltung. Aber sie würde sich von ihnen verdammt noch mal nicht dazu drängen lassen, sich mit dem falschen Partner einzulassen. Wenn die Umstände sie dazu zwangen, ihnen jemanden vorzustellen, dann konnten ihre Eltern für gewöhnlich den Kerl nicht ausstehen. Sie vergaben ihr nie, dass sie sich einen ›durch die Lappen gehen ließ‹, den sie gemocht hatten. Durch die Lappen gehen lassen. Als ob die Dinge so einfach wären.
    Und so hatten die leisen Lügen begonnen. Kleine Überlebensübungen, die keinem schadeten, die ihr aber halfen, die eigene Selbstachtung zu bewahren. Sie deutete dann immer mit diversen subtilen Einschüben in der Konversation an, dass -ja, sie traf sich mit jemandem, danke der Nachfrage, und ja, er war sehr nett, und dann wechselte sie das Thema.
    Sie bastelte sich Lebensgeschichten für ihre imaginären Verabredungen zusammen und verriet ihren Eltern gerade genügend Details, um es real und beiläufig klingen zu lassen. Sie wusste aus den Zeitungen, die sie ausschlachtete, wie wichtig Details sein konnten. Wer, was, wo, wann und wie musste alles im ersten Absatz stehen. Das war das Kennzeichen einer guten Reportage.
    In der letzten Zeit hatte ihre Mutter begonnen, auf mehr Fakten zu drängen. Sie erinnerte sich an jede Kleinigkeit und vergaß nie etwas.
    Amanda lebte mit einer latenten Angst, sie könnte so werden wie ihre Mutter. Aber das Gegenteil davon zu werden würde genauso schlimm sein.
    Amandas Traumpartner konnte nicht länger nur ein Geheimnis bleiben. Mutter würde demnächst einen Namen haben wollen. Amanda würde sich bald einen ausdenken müssen.
    Sie schnappte überrascht nach Luft. Da war eine schwarze Katze auf ihrer Veranda. Ihr Fell war schneebedeckt. Sie hatte sie gesehen und war irgendwie auf die Veranda gelangt. Vielleicht hatte sie sich einen Tunnel gegraben und war dem Sturm entkommen, so wie ein U-Boot Seestürmen entgeht.
    Sie beschloss, die Katze augenblicklich einzulassen. Da draußen würde sie erfrieren.
    Sie schloss die Tür auf und entriegelte die Sicherheitskette. Sie war nicht darauf vorbereitet, wie kalt es wirklich da draußen war, weg von ihrem Kaminfeuer. Der Wind versuchte, ihr die Tür ins Gesicht zu schlagen, und die Temperaturen waren arktisch und Furcht einflößend. Die Katze verlor keine Sekunde, an ihr vorbeizuflitzen, und sie musste sich mit der Schulter gegen die Tür stemmen, um sie gegen den Wind zuzudrücken. Sie hatte Angst um das geätzte Glas, das bei dieser kurzen Aktion sofort überfroren war. Wenn die Sturmtür von dem Wind eingedrückt wurde, war sie erledigt.
    Sie schloss ab und hoffte, dass alles hielt, bis der Sturm wieder abflaute.
    Die Katze ließ sich vor dem Kamin nieder und begann, sich zu putzen.
    »Hallo, Mieze.« Sie sah sie nicht als Bedrohung an. »Ich wette, du hast Hunger.«
    Sie brachte ihr eine Dose Thunfisch und etwas Milch. pie Katze schnurrte, als sie sie hochhob. Sie rieben ihre Nasen aneinander wie die Eskimos.
    »Ich vermute mal, du willst dich jetzt hier niederlassen.« Amanda wusste, was man über Katzen sagte, die man einmal in die Wohnung gelassen hatte.
    Es war ein Kater. Sie wusste nicht genau, was sie dazu gebracht hatte, das zu überprüfen.
    Man konnte mit diesem Tag nichts anderes anfangen, als weiter vor dem Kamin zu hocken und sich da ein Nest aus ihrer Tagesdecke zu bauen, das ihre neue Katze zweifellos mit ihr teilen würde. Da konnte sie sich zusammenrollen, vielleicht mit noch ein paar Tassen Tee und einem Video oder einem dicken, einschläfernden Roman, den sie nach Namen durchsuchen konnte, die sie ihrem Fantasie-Freund geben konnte.
    Als sie den Namen fand, war er direkt, gebildet, klassisch. Ein amerikanischer Name. Ein normaler Name, wenn auch ein bisschen gelehrt in seiner vollen Schreibweise. Genau der.
    Sie döste mit dem Gefühl auf ihrer Couch ein, dass sie an diesem Nachmittag tatsächlich etwas geleistet hatte.
    Die Katze war immer noch da und fühlte sich ganz wie zu Hause, als sie wieder aufwachte.
     
    Camela schlief.
    Der Streit, der sich entwickelt hatte, nachdem Bash bei Rapid O’Graphics gegangen war, war unschön gewesen und hatte sich lange hingezogen. Bestimmte Dinge wollte Bash ihr nicht erzählen, zum Beispiel nichts
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