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Der Saubere Tod

Titel: Der Saubere Tod
Autoren: Michael Kleeberg
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Lacks haarscharf ab, lange gerade Bahnen, dann zerstrudelte sie in grobem Raster und wollte dunkel auf ihn niederstürzen, aber sie hielt sich zurück und war wieder eine Wand, unbeweglich, glatt, einfach.
    Johanns Blick fiel auf ein gelbes Heft hinter dem Bett. Er erinnerte sich: Unsterblich, denn er weiß vom Tode nichts. In ihm ist Freiheit, ist Frieden, Reichtum ist in ihm. Oh, es sind heilige Tage, wo unser Herz zum ersten Mal die Schwingen übt, wo wir voll schnellen feurigen Wachstums dastehn in der herrlichen Welt. Das Märchen vom idealistischenhimmelstürmenden Jugendmut, die Lüge von der Unschuld. Nein, das war nicht. Aber jetzt war da die Wand, die weiße Wand, deren Starre unter der zitternden Schwäche zerbröckelte. Die Wand war glatt und stand ruhig im Drehen um sie herum. Die Wand stand hell und dunkel, näher und ferner. Die Fischerboote wurden zu Luftporen, die Luftporen wurden zu Schweißperlen. Das Hell-Dunkel im Auf und Ab ließ die Gedanken abprallen. Die Luft verdichtete sich auf einen brennenden Punkt, und die Moleküle der weißen Wand weiteten sich und schluckten die Gedanken.
    Das kleine gelbe Heftchen, das weit ausholend in die tiefsten Winkel blaubehimmelter Erinnerungsleere griff. Aber er, er hatte schon immer alles gewußt.
    Aber da war die weiße Wand, gegenwärtig, faßbar, schwitzend aus jedem Atemstoß, taumelte sie in die gerade Bahn, wo jetzt das Ziel sichtbar wurde und näherkam und das Rondo sich in immer engeren und höheren Spiralen nach oben schraubte und die Fahrt kanalisierte, die weiße Wand, die Wand, die weiße Wand.
    Das gelbe Heftchen, das macht uns arm bei allem Reichtum, daß wir nicht allein sein können, daß die Liebe in uns, solange wir leben, nicht erstirbt.
    Aber da war die Wand, die weiße Wand, die jetzt, jetzt endlich ihre Konsistenz verlor und sich zu kochender Milch verflüssigte, die in einer Welle heiß über ihm zusammenschlug.
    In der Stille behielt nur das Reclambändchen seine frühere Form. Die Lüge von der Jugendunschuld. Denn er, er hatte schon immer alles gewußt.
    Barbara küßte ihn sanft und rollte sich zusammen.
    So! Nun muß ich schlafen. Ich muß morgen um sieben hoch. Heute um sieben. Schlaf schön.
    Ich gehe noch eine Zigarette rauchen, sagte Johann.
    Kommst du nachher wieder?
    Johann nickte.
    Warum bleibst du nicht hier? Roberts Zimmer ist ja noch frei.
    Ja. Warum nicht.
    Ich schlafe schon halb. Du kommst nachher wieder, ja?
    Johann nickte.
    Er saß in dem großen Raum im Summen der Neonröhre. Das Radio spielte leise AF N-Musik . Die Bretter der Lehne maserten seinen Rücken. Er sah zur Decke, und es war nichts als eine Decke. An der Wand waren Herd, Spüle, die beiden Kühlschränke, Aluminiumregale mit Töpfen und Pfannen. Auf einem der Kühlschränke stand das Kofferradio mit der grünen Skala. Neben der Fensterfront standen zwei Fernseher übereinander. In einer Ecke lehnte ein Besen. In einer anderen hingen Socken und Wäsche auf den Leinen eines Trockners.
    Im Schloß bewegte sich ein Schlüssel. Die Tür öffnete sich. Ein Mann kam herein, in einem bodenlangen grünen Mantel. Er trug eine lederne Ballonmütze auf dem Kopf.
    Er lächelte Johann zu.
    Wohnst du hier?
    Ich weiß nicht recht, sagte Johann.
    Der Mann nickte und warf seinen Mantel und seine Mütze über einen Stuhl. Trinkst du einen Kaffee mit?
    Johann sagte ja.
    Ich bin Anatol, sagte der Mann. Ich nehme an, du rauchst auch eine mit.
    Anatol schüttete den Kaffee in den Filter und setzte die Maschine in Gang, aus der ein leise brodelndes Geräusch kam. Er drehte den Kopf und lächelte zu Johann herüber. Dann setzte er sich neben ihn und begann mit zitternden Händen einen Joint zu drehen. Er verschüttete Tabak und atmete tief durch. Danach ging es besser.
    Du wohnst hier? fragte Johann. Anatol nickte.
    Und was machst du?
    Musik, antwortete Anatol, ohne hochzusehen.
    Was für welche?
    Anatol leckte das Papier. Zweierlei. Einmal fürs Leben und einmal für die Kunst. Er verzog das Gesicht. Dann stand er auf und holte den Kaffee. Sie tranken schweigend. Anatol hatte drei Tassen getrunken, während Johann noch bei der ersten war.
    Ich war vier Tage unterwegs, sagte Anatol schließlich. Einmal ganz um die Stadt herum, immer an der Mauer entlang. Hab alles was draufsteht auf Band genommen.
    Und wozu?
    Anatol hob die Arme. Keine Ahnung.
    Sie lachten beide. Dann schwiegen sie wieder.
    Nein, begann Anatol. Es hat was mit der Musik zu tun, die ich machen will.
    Verdient man
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