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Der Saubere Tod

Titel: Der Saubere Tod
Autoren: Michael Kleeberg
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in dicke Sprachwolken verkleisterte revolutionäre Aufrufe und Sympathieadressen gedruckt hatte. So stand die Polizei eines Tages mit einem Durchsuchungsbefehl an der Wohnungstür.
    Bei der Beschreibung der Haussuchung wurde die Frau lebhafter und ruhiger zugleich. Sie beschrieb den Aufmarsch so plastisch, so niederschmetternd und zugleich komisch, mit solcher Verachtung und gleichzeitig mit dem ganzen erfahrenen Überblick eines alten Kriegsberichterstatters, daß Johann sah, wie sie die Tür geöffnet hatte, in einen M P-Lauf blickte, die gespielte gespannte Freundlichkeit der Polizisten fühlte, die Freundlichkeit derer, die MPs in Händen halten. Schließlich fand man, was man suchte, Akten aus der neuesten Ausgabe mit einem Bericht über revolutionäre Zellen,und aus diesen Akten, aus irgendeiner Spesenabrechnung ging hervor, daß Robert für die Ausgabe verantwortlich zu machen war. Am folgenden Tag kehrte die Polizei mit einem Haftbefehl wegen Unterstützung terroristischer Vereinigungen wieder. Robert war im Kuckuck. Sie selbst ging heimlich hin und berichtete ihm vom Stand der Dinge, und noch am selben Abend saß er im Flugzeug nach Amsterdam.
    Sie grinste wütend. Seine Augen glühten, und er hat, glaube ich, nur die Werke Trotzkis in seine Reisetasche gepackt. Vielleicht übertreibe ich, aber manchmal habe ich das Gefühl, den Jungs ging’s nicht darum, was zu ändern, sondern darum, verhaftet zu werden. Verstehst du, wenn sie verhaftet oder im Knast umgebracht werden, rechtfertigt das ihre Arbeit wenigstens im nachhinein. Mir sind Leute lieber, die auf dem Posten bleiben. Aber die, die standen auf Apokalypse. Dafür sitzt er jetzt in Amsterdam und träumt davon, eines Tages im versiegelten Sonderzug zurückzukommen, wenn die Posaunen ihn rufen. Immerhin hat er was in der Hand. Brief und Siegel, daß er gekämpft hat, wenn auch verloren, ein Exilant, der Opfer gebracht hat. Alle Leute opfern sich schließlich für irgendwas, für irgendeinen Sinn, Leben ist ja gar nicht anders möglich, und Leute wie Robert opfern sich eben der Ethik, daß gar nichts ihr Opfer wert sein könne. Auch eine Form von Masochismus. Dafür arbeitet er jetzt in einem Softwarebetrieb und ist in der Amsterdamer Bewegung bekannt wie ein bunter Hund. So!
    Sie sah Johann an. Ich heiße übrigens Barbara. Ich bin auch Journalistin. Sie lächelte. Vielleicht deshalb. Du hast Hunger, nicht wahr? Gehen wir zum Türken.
     
    Schwitzend trommelten zwei Jungen auf den Knöpfen der Space-Invaders, der schwarze Schrank stand vor der holzimitat-furnierten Wand, und es sirrte, pfiff und zischte, Raumschiffe und Städte explodierten, deren Verlust die digitalePunktanzeige in Hunderterschritten quittierte. Die Kriegsgeräusche mischten sich mit dem Fettgeruch der sich langsam drehenden Fleischsäulen und dem Duft des Olivenöls, in dem die Salate hinter der Glasvitrine schwammen. Barbara wollte wissen, woher Johann kam und was er vorhatte. Johann warf Geld in einen der Automaten und hämmerte stakkato auf die Tasten, den Blick auf den buntflimmernden Schirm gerichtet. Er dachte darüber nach, was es zu sagen gab. Er sah auf das Videospiel: Olympic Games.
    Komisch, daß ein Neger dein automatischer Gegner ist. Man sollte meinen, es müsse ein Russe sein.
    Überhaupt nicht. Barbara lachte. Im Sport ist es anders. Der Körper, nicht das Hirn. Und wer konkurriert da mit dem reinen Angelsachsen? Die Russen sind auch Weiße, nein, der Nigger mit seinem großen Pimmel, der eine Frau viermal so oft und so tief und gut befriedigen kann wie der weiße Mann. Sie lachte. Nein, im Sport ist der Neger die einzige Herausforderung. Und? Schaffst du ihn?
    Ich laufe schneller, sagte Johann. Alles andere kann er besser.
    Siehst du? sagte Barbara.
    Dann spielten beide gleichzeitig an dem Gerät, und Barbara übernahm den Part des Schwarzen. Sie standen nebeneinander und hämmerten auf die Tasten. Die Bilder vor ihren Augen flimmerten. Um sie herum knallte und explodierte es. Barbara lachte. Johann dachte an nichts. In ihrer Gegenwart ließ sich gut müde sein. Er hatte das Gefühl, sie würde wachen. Im Eifer des Gefechts berührten sich ihre Ellenbogen mehrmals. Manchmal sah Barbara ihn an, und obwohl Johann auf den Bildschirm starrte, spürte er ihren Blick. Sie lächelte ironisch, aber ohne Bosheit. Ihr Kinn war energisch. Die Hand, mit der sie das Haar aus der Stirn strich, war kräftig. Sie war viel älter als er.
    Sie warf einen langen Blick auf Johann über
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