Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der sanfte Kuss des Todes

Titel: Der sanfte Kuss des Todes
Autoren: L Griffin
Vom Netzwerk:
waren.
    Sie ließ sich von dem fehlenden Interesse der Studenten jedoch nicht aus dem Konzept bringen und trug unverdrossen ihre Überlegungen zum Humanismus vor. Als sie ihren Blick das nächste Mal durch den Raum schweifen ließ, blieb er
er an ihm hängen. Sie geriet einen kurzen Moment ins Stocken, und er ahnte, dass sie sich fragte, warum ein Mann seines Alters in ihrem Seminar auftauchte und sich einen Vortrag über florentinische Malerei zu Gemüte führte.
    Von draußen ertönte ein Klingeln, und der Raum erwachte zum Leben. Die Studenten standen auf, gähnten, streckten sich und schulterten ihre Rucksäcke, um sich zur nächsten Veranstaltung zu begeben.
    Jack wartete gegen die Wand gelehnt neben der Tür, bis der letzte Student aus dem Raum schlurfte und er allein mit Fiona Glass war.
    Sie hatte ihre Haare zu einem hübschen Zopf geflochten. Mit geübten Handgriffen verstaute sie das Diakarussell in einer Pappschachtel und schob sie in eine Aktentasche. Dann legte sie sich ihren Mantel über den Arm und kam auf ihn zu.
    »Kann ich Ihnen helfen?«
    »Kommt darauf an«, sagte er und musterte sie. Aus der Entfernung hatte sie wie eine Steueranwältin ausgesehen, aber von Nahem machte sie einen völlig anderen Eindruck. Das mattbraune Haar war eher von einem rötlichen Goldton und was ihre angeblich durchschnittliche Figur anging, nun, ihr Hosenanzug lag an den genau richtigen Stellen eng an.
    »Worauf denn?«, fragte sie ungeduldig, es war unverkennbar, dass es ihr nicht passte, von ihm so eingehend gemustert zu werden.
    »Sind Sie Fiona Glass?«
    »Ja.«
    »Jack Bowman.« Er streckte die Hand aus. »Wir haben miteinander telefoniert.«
    Sie blickte auf seine Hand, ohne sie zu ergreifen. Amüsiert
lehnte er sich wieder gegen die Wand und verschränkte die Arme.
    »Ich dachte, ich hätte mich klar ausgedrückt«, sagte sie kurz angebunden. »Ich übernehme im Moment keine neuen Fälle.«
    »Davon war keine Rede«, erwiderte er. »Sie sagten, Sie wären mit einem anderen Fall beschäftigt, und nachdem ich gestern in den Nachrichten auf Fox News das Phantombild von Ihnen gesehen habe, nahm ich an, dass diese Sache abgeschlossen ist.«
    Sie seufzte. »Mr. Bowman …«
    »Jack.«
    Sie sah zur Decke. »Jack …«
    »Wie wär’s mit einer Tasse Kaffee, und ich erzähle Ihnen von meinem Fall?«
    »Wie ich Ihnen schon am Telefon sagte, Jack, kann ich Ihnen nicht weiterhelfen. Sie werden sich jemand anders suchen müssen.«
    Er betrachtete ihr Gesicht. Sie ärgerte sich über ihn – so viel war klar. Aber er konnte noch etwas anderes an ihrer Miene ablesen. Sie schien aus irgendeinem Grund Angst vor ihm zu haben.
    Gut, das konnte man nachvollziehen. Ein nicht gerade kleinwüchsiger Mann lauerte ihr an ihrem Arbeitsplatz auf und bestand darauf, mit ihr zu reden, und immerhin verdiente sie sich ihr Geld damit, Mörder und Perverse zu zeichnen. Vielleicht machten Männer sie allgemein nervös. Er beschloss, es mit einer anderen Taktik zu probieren.
    Jack zog aus der Gesäßtasche seiner Jeans eine Brieftasche. Er klappte sie auf, holte eine abgestoßene Visitenkarte heraus und reichte sie ihr. Seit er wieder in seine Heimatstadt gezogen war, hatte er kaum Gelegenheit gehabt,
eine Visitenkarte zu benutzen, weil die meisten Leute, mit denen er zu tun hatte, ihn zumindest vom Sehen kannten. Aber bei dieser Frau tat sie vielleicht ihren Dienst und beruhigte sie.
    »Ich bin der Polizeichef eines Städtchens namens Graingerville, das ungefähr zwei Autostunden von hier entfernt liegt. Das hier sind meine Kontaktdaten. Mir ist klar, dass Sie viel zu tun haben, aber Nathan Devereaux, den ich schon ziemlich lange kenne, meinte, dass Sie mir helfen könnten. Ich halte große Stücke auf seine Meinung. Ich will niemand anderen.«
    Eine Haarsträhne fiel ihr ins Gesicht, als sie seine Karte studierte. Sie war ganz offensichtlich in einem Zwiespalt, und er beschloss, ihr erst einmal Gelegenheit zum Nachdenken zu lassen.
    »Überlegen Sie sich die Sache bitte und rufen Sie mich an.«
    Sie sah zu ihm auf, ihre braunen Augen wirkten verstört. Es war unübersehbar, dass sie mit sich rang.
    »Dieser … Mord, von dem Sie sprachen. Gibt es einen Zeugen?«
    Bingo, er hatte sie.
    Aber er wollte sie nicht gleich wieder verschrecken, indem er alle Karten auf den Tisch legte. »Wie es aussieht, ja. Eine Frau, die sich vor einiger Zeit in der Gewalt des Täters befand und überlebt hat.«
    Sie sagte nichts. Dann holte sie tief Luft. »Gut, ich
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher