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Der sanfte Kuss des Todes

Titel: Der sanfte Kuss des Todes
Autoren: L Griffin
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also nicht allzu lange am Terminal gewartet haben. Aus irgendeinem Grund erleichterte sie das. Sullivan hob ihren Koffer in den Kofferraum, dann öffnete er die Fahrertür und ein Schwall kalter Luft drang ins Wageninnere. Georgia war wirklich nicht für seine harten Winter bekannt, aber im Moment hatte eine Kältewelle den gesamten Süden erfasst. Selbst in Austin war für heute Nacht Schnee angesagt.
    Fiona sah zu, wie Sullivan hinter dem Steuer Platz nahm. Sie schätzte ihn auf achtunddreißig, höchstens vierzig.
    »Erzählen Sie mir von dem Fall«, forderte sie ihn auf.
    Er drehte die Heizung höher und fädelte sich in den Verkehr ein.
    »Shelby Sherwood. Zehn Jahre alt. Ist das letzte Mal Montagnachmittag von ihrem Bruder gesehen worden.«
    »Sie ist von zu Hause entführt worden?«
    »Ja. Ein Mann, der an der Haustür geklingelt hat, vermuten wir.«
    Bislang hatte er nichts gesagt, was Fiona nicht schon aus den Nachrichten im Frühstücksfernsehen wusste. Normalerweise schaute sie keine Nachrichten, aber heute wollte sie die Wettervorhersage sehen, und dabei war sie an dieser Geschichte hängengeblieben. Zu dem Zeitpunkt hatte sie noch nicht einmal geahnt, dass sie nur wenige Stunden später ihre Überblicksveranstaltung zur abendländischen Kunst ausfallen lassen würde, um zum Flughafen zu eilen.
    »Was ist mit dem Zeugen?«, fragte sie.
    Sullivan tastete mit einer Hand nach einer Aktenmappe auf dem Rücksitz, während er mit der anderen das Auto über die Interstate 85 lenkte.
    »Colter Sherwood. Sechs Jahre alt. War gerade aus der Schule gekommen und hatte sich im Wohnzimmer vor den
Fernseher gesetzt, wo Power Rangers lief, als Shelby die Tür öffnete.« Fiona hielt die Luft an, als er seinen Blick von der Straße nahm und in der Mappe auf seinem Schoß herumblätterte. »Erste Klasse in der Green-Meadows-Grundschule. Dieselbe Schule, die auch seine Schwester besucht.«
    Sullivan zog ein Blatt aus der Mappe und reichte es Fiona. Es war eine Farbkopie von Shelbys Schulfoto, das sie heute Morgen schon in den Nachrichten gesehen hatte. Shelby hatte schulterlange, glatte braune Haare und trug ein T-Shirt mit lila und rosa Streifen. Das Foto war merkwürdig, fand Fiona. Shelby zeigte nicht das sorglose Lächeln, wie es typisch für eine Zehnjährige war, sie sah aber auch nicht mit dem verdrossenen Gesichtsausdruck einer Frühpubertierenden in die Kamera. Ihr Lächeln wirkte gezwungen und verlegen. Fiona betrachtete die schmal zusammengepressten Lippen des Mädchens.
    »Trägt sie eine Zahnspange?«
    Überrascht blickte Sullivan sie an. »Woher wissen Sie das?«
    »Das sieht man. Sie versucht, sie zu verbergen. Und dann noch die Schminke.«
    Er richtete die Augen wieder auf die Straße. »Habe ich auch schon bemerkt. Bisschen früh für das Alter, oder?«
    »Für eine Fünftklässlerin? Ja, finde ich auch. Insbesondere wenn diese fünfte Klasse zu einer Grundschule gehört, wie Sie sagen. Sie sollten sich schnellstens ein Foto von Shelby mit Spange besorgen und an die Öffentlichkeit bringen.«
    »Wir sind schon dran. Nur hat Shelby offenbar nicht mehr vor einer Kamera gelächelt, seit sie die Spange trägt.«
    »Von wann ist das Foto?«
    »September, soweit ich weiß.«

    In vier Monaten hatte sich ihr Aussehen vermutlich nicht sehr verändert, vorausgesetzt natürlich, sie hatte sich nicht die Haare schneiden oder färben lassen. Aber sie brauchten dennoch ein Foto, auf dem man die Spange sah.
    Sullivan wechselte abrupt die Spur, was mit einem lauten Hupkonzert quittiert wurde. Fiona sah über ihre Schulter.
    »Sind wir etwa zu spät dran?«
    »Ich versuche nur, Sie in das Haus zu schaffen, solange die Presseleute abgelenkt sind«, sagte er. »Keiner von denen weiß, dass Sie hier sind, und so soll es auch bleiben.«
    »Das wird schwierig werden, wenn wir heute Abend eine Zeichnung des Täters veröffentlichen.«
    »Falls wir eine Zeichnung veröffentlichen. Kein Mensch weiß, ob der Bruder überhaupt etwas gesehen hat.«
    Fiona blickte erstaunt von dem Foto auf. »Warum bin ich dann hier?«
    »Der Sitzsack, auf dem er saß, stand direkt vor dem Fernseher, nicht einmal fünf Meter von der Haustür entfernt, aber er behauptet steif und fest, dass er den Mann nicht gesehen hat.«
    »Und warum glauben Sie ihm nicht?«
    »Weil das Kind völlig außer sich war, als die Mutter von der Arbeit nach Hause kam. Shelby war verschwunden, und er wiederholte ständig nur, dass er den Mann nicht gesehen hätte. Das ist im
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