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Der sanfte Kuss des Todes

Titel: Der sanfte Kuss des Todes
Autoren: L Griffin
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ein Nashorn als ein Dinosaurier aus, aber Colters Aufmerksamkeit hatte sie damit gewonnen.
    »Ich mag den Velociraptor«, murmelte er.
    Fionas Herz setzte einen Schlag aus, aber sie versuchte sich nichts anmerken zu lassen und lächelte. »Welcher ist das gleich noch mal? Der, den du gerade in der Hand hältst?«
    »Das ist ein Pachycephalosaurus.«
    Wow. So viel zu eingeschränktem Sprachvermögen bei
kleinen Kindern. Fiona sah sich die Dinosaurierfiguren noch einmal genauer an und bemerkte, dass sie in zwei Lager geteilt waren. Ihre Kenntnisse der prähistorischen Tierwelt waren ein wenig eingerostet, aber sie war sich ziemlich sicher, dass er sie in Fleischfresser und Pflanzenfresser unterteilt hatte.
    Colter sammelte ein paar der Dinosaurier ein und rutschte näher zu Fiona. »Da«, sagte er und legte sie neben ihr auf den Teppich. »Das sind die besten.«
    Fiona zeichnete einen nach dem anderen ab und fragte Colter dabei über sie aus. Er wusste alles.
    »Manchmal zeichne ich auch Menschen«, sagte sie, während sie einen T-Rex schraffierte. »Ich würde gerne den Mann oder die Frau zeichnen, die du am Montag nach der Schule an der Tür gesehen hast. Meinst du, du kannst mir dabei helfen?«
    Colter hatte sich inzwischen ihr gegenüber hingesetzt. Er ließ den Kopf sinken.
    Fiona tauschte die Dinosaurierzeichnung gegen ein frisches Blatt Papier aus. Dann zog sie die Knie an und lehnte das Zeichenbrett gegen ihre Oberschenkel, so dass er es nicht sehen konnte und davon abgelenkt war. »Willst du mir helfen?«
    »Ich hab ihn nicht gesehen«, murmelte er.
    Fiona versuchte, möglichst gelassen zu klingen. Sie wollte nicht, dass sich Colter unter Druck gesetzt fühlte, auch wenn das ganz offensichtlich so war. »Kein Problem«, sagte sie. »Erzähl mir einfach, was dir einfällt.«
    Er schwieg.
    »Erinnerst du dich, dass am Montag jemand an die Tür kam, Colter?«
    Ein kleines Nicken.

    »Und erinnerst du dich vielleicht an die Haarfarbe?« Wenn man nach einem Merkmal ohne Bezug zur Person fragte, war das weniger bedrohlich, und die Haarfarbe war ein Merkmal, das den meisten Zeugen als Erstes einfiel.
    »Braun«, flüsterte er.
    Braune Haare .
    »Okay.« Sie beugte sich vor, damit sie ihn besser verstehen konnte. »Was hast du noch gesehen?«
    »Er war groß.«
    »Gut, das machst du ganz toll, Colter.« Aber sie fing noch nicht an zu zeichnen. Ein sitzendes Kind würde viele Leute als groß bezeichnen, noch dazu, wenn es Angst hatte. »Erinnerst du dich, wie er aussah?«
    Das Schweigen dehnte sich aus, während Colter auf seinen Schoß starrte. Eine Träne fiel auf seine Schlafanzughose und er rieb mit seinem kleinen, dicken Daumen daran herum. Fionas Brust zog sich zusammen.
    »Er hat gesagt, dass ich nichts erzählen darf.«
    »Mir darfst du es erzählen, Colter. Woran erinnerst du dich noch?«
    »Shelby hat angefangen zu weinen.« Die Stimme des Jungen versagte und er zog die Schultern zusammen.
    »Schon gut.« Es zerriss ihr beinahe das Herz. »Lass dir Zeit.«
    »Er hat mir ein Messer vors Gesicht gehalten!« Ein Schluchzer ließ den kleinen Jungen erzittern. »Er hat gesagt, dass ich niemandem was erzählen darf, sonst kommt er und schneidet mir die Zunge raus.«

KAPITEL 2
    Jack war überrascht, wie jung sie war.
    Er beobachtete Fiona Glass von der gegenüberliegenden Seite des abgedunkelten Raums aus und speicherte jedes Detail in seinem Kopf ab: gut ein Meter siebzig, normal gebaut, so weit man das bei dem Hosenanzug sagen konnte. Hellbraune Haare. Blasse Haut. Volle Lippen, die im bläulichen Licht des Diaprojektors rosa leuchteten.
    Sie stand neben dem Rednerpult und zeigte Dias, und er hörte ihr zu, ohne groß auf die Worte zu achten. Sie sprach mit klarer, sicherer Stimme und ohne erkennbaren Akzent. Soweit er wusste, stammte sie aus Kalifornien, aber ihr geschäftsmäßiges Auftreten wollte nicht so recht zu seiner Vorstellung von einer Kunstdozentin aus der Heimat der Beach Boys passen.
    Sie wandte sich ihren Zuhörern zu und ließ den Blick über die Studenten wandern, die auf ihren Stühlen lümmelten. Mit einem Laserpointer deutete sie auf eine bestimmte Stelle des Bildes, die sie ihrem begeisterten Tonfall nach zu urteilen besonders bemerkenswert fand. Jack wusste allerdings noch aus seiner eigenen Collegezeit, wie einschläfernd die Wärme und Dunkelheit in einem solchen Seminarraum mitunter auf die Zuhörer wirkten, insbesondere auf diejenigen, die bis tief in die Nacht beim Bier zusammengesessen
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