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Der sanfte Kuss des Todes

Titel: Der sanfte Kuss des Todes
Autoren: L Griffin
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und spuckte auf den Boden. Dann musterte sie Shelby erneut und neigte den Kopf zur Seite. »Hast du Hunger?«
    Shelby nickte.
    »Na, dann komm mal mit.«
    Shelby zögerte kurz, bevor sie der Frau auf dem gewundenen Pfad zu einer Lichtung folgte, auf der lauter niedrigere Bäume standen. Es gab eine Hütte mit einem Sockel aus Natursteinen und ringsherum blühenden Weißdorn.
    »Setz dich da auf die Treppe.«
    Shelby setzte sich auf die unterste Stufe der Holztreppe und rieb sich die Hände an der Jeans ab. Ihre Hände waren schmutzig. Ihr Gesicht war wahrscheinlich auch schmutzig. Die Haare hingen ihr in filzigen Strähnen vom Kopf, und sie hatte einen ekligen Geschmack im Mund.
    Doch dann hörte sie Fett brutzeln, und der Geruch von gebratenem Speck ließ sie alles vergessen. Das Wasser lief ihr im Mund zusammen. Sie fuhr mit der Zunge über die Lücke, da, wo ihr Zahn gewesen war, den er ihr am ersten Tag ausgeschlagen hatte. Sie wollte nicht an diesen Tag denken, aber manchmal passierte es, wenn sie mit der Zunge an diese Zahnlücke kam. Sie zog die Schultern zusammen und warf einen Blick in die Hütte. Vielleicht war das doch keine gute Idee. Vielleicht sollte sie lieber in den Wald zurücklaufen.
    Aber ihr Magen knurrte schon wieder, deshalb blieb sie sitzen, und gleich darauf kam die Frau mit einem blauen Emailleteller und einem Becher aus der Hütte.

    »Vorsicht. Der Kaffee ist heiß.« Sie stellte den Teller und den Becher neben Shelby und setzte sich auf die oberste Stufe.
    Shelby sah auf das Essen und hätte am liebsten geweint. Zwei Scheiben Brot, mit Butter und Marmelade bestrichen. Drei Scheiben Speck. Sie nahm eine davon und stopfte sie sich im Ganzen in den Mund. Nach ein paarmal Kauen griff sie nach dem Brot.
    Die Frau beobachtete sie unter ihrem Hut hervor. »Das ist das beste Gelee in der ganzen Gemeinde. Ich verkaufe mehr Gläser als Miss Mayhaw und Southern Best zusammen.«
    Shelby kaute das Brot und hatte ein schlechtes Gewissen, weil sie kaum etwas davon schmeckte.
    Die Frau ließ den Blick über den Garten wandern. »Die Leute sagen, es sind Wunderbäume. Eigentlich dürften sie erst in drei Wochen blühen. Und nach der Kälte dachten wir schon, sie blühen dieses Jahr vielleicht überhaupt nicht. Und jetzt schau dir das Blütenmeer an, dabei ist erst Februar.«
    Die Frau sah sie lange an und Shelby versuchte, langsamer zu kauen, aber ihr Mund schien sich selbständig gemacht zu haben.
    »Wo ist deine Familie, Kleine? Bist du ganz allein hier?«
    Shelby blickte auf den Boden. Sie schluckte. Sie wusste nicht, was sie sagen sollte, deshalb nahm sie sich eine zweite Scheibe Speck.
    Die Frau wandte sich wieder ihrem Garten zu.
    »Wunderbäume! Pah!« Sie spuckte in hohem Bogen aus. »Wir machen hier unsere eigenen Wunder. Wir haben Dürreperioden und Schmierläuse und Katrina und Rita überstanden. Das Einzige, was mein Geschäft am Laufen hielt,
waren ein Generator und eine Tiefkühltruhe und ein starker Rücken, um das alles aus den Fluten zu ziehen.«
    Shelby mochte keinen Kaffee, aber ihr Mund war ganz trocken, deshalb trank sie davon. Er war warm, und der bittere Geschmack ließ sie zusammenzucken.
    »Du bist das Mädchen aus Georgia.«
    Shelby erstarrte.
    »Sie suchen nach dir. Erst gestern hat sich an der Tankstelle einer vom FBI nach dir erkundigt. Jemand hat das Auto, in dem du warst, drüben auf dem Campingplatz gesehen. Die ganze Stadt redet davon.«
    Sie bekam keine Luft. Das Essen bildete eine große fette Kugel in ihrem Magen, und sie hatte das Gefühl, sich gleich übergeben zu müssen. Sie sah hinüber zum Wald.
    Die Frau beugte sich vor und tätschelte ihre Hand. »Du brauchst keine Angst mehr zu haben.« Ihre Stimme klang sanft. »Hier tut dir keiner was.«
    Mit der anderen Hand zog sie ein Handy aus ihrer Tasche. Es war groß und grau und sah wie eine Fernbedienung aus.
    »Willst du jemanden anrufen, Kleine? Ich kann es auch tun, wenn du willst.«
    Sie drehte Shelbys Hand herum und legte das Handy hinein. Shelby starrte es an, und ihr Daumen schien sich an die Ziffern zu erinnern. Sie hob es ans Ohr.
    Es piepte laut, und sie zuckte zusammen.
    »Du musst eine Eins vorwählen, Kleine. Du bist hier tief in den Wäldern von Louisiana.«
    Shelby versuchte es noch einmal und wartete, während es am anderen Ende klingelte. Dann hörte sie die Stimme ihrer Mutter, und ihr wurde wieder schwindlig.
    »Mom, ich bin’s.« Die Tränen begannen zu fließen. »Ich will nach Hause.«

    Fiona
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