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Der Sandner und die Ringgeister

Der Sandner und die Ringgeister

Titel: Der Sandner und die Ringgeister
Autoren: Roland Krause
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brauchen täten – prophetische Gabe oder Oberpfälzer Hexenwerk.
    Grabestief gestimmte Gitarren, Stakkatoriffs, die Drums hämmern, schlagen hart auf seinen Schädel ein.
    Eine martialische Bassstimme düstert was von Blut und endloser Qual daher.
    Sandner lauscht den Klängen und muss dabei das Grab anstieren, bis es vor seinen Augen verschwimmt.
    Dadadawamm dadadawamm dadadawamm.
    Wenn er auf einen Toten getroffen ist, hat er sich immer die Frage gestellt, »wer warst denn du im Leben?«. Von jeher ein Paradox für den Sandner, so lang schnüffeln zu müssen, bis das innere, lebendige Bild vom Toten dem Seziertisch Konkurrenz machen kann.
    Mit der Musik von »Nachtgoul« will er gleich reinschauen in die Stube, ein Gespür für den Burschen kriegen, der da vor ihm liegt, so gesehen, schneller Vorlauf.
    Das Vorgehen sollte er sich aber nicht patentieren lassen. Falls es, zum Beispiel, den Tubavirtuosen der Daxlhauser Blaskapelle gewaltsam dahinraffen tät, bräuchtest du schon eine sehr spezielle Persönlichkeit, um Ton und Bild in einer Komposition zu ertragen.
    Ummantelt vom Klanggewitter, schaudert den Sandner. Die Nässe kriecht ihm gemein in die Knochen, und dumpfe Bedrücktheit legt sich um den Hals, wie ein Galgenstrick. Ein dunkler Schatten saugt ihn auf. Verflucht noch mal! Dieser Geruch von nasser Erde! Er hat es schon auf der Zunge schmecken können, dieses Bittere, Pappige.
    Rausgerissen aus dem Leben mit der Wurzel, wie ein Unkraut, und weggeworfen zum Verrotten. Im Tod mag man gleich sein, im Sterben noch lange nicht.
    Dadadawamm dadadawamm dadadawamm.
    »Dein Schmerz ist mir die Lust.«
    Eine schwere Hand legt sich ihm auf die Schulter.
    Er schrickt zusammen und reißt sich hektisch die Stöpsel aus den Ohren. »Bist du komplett narrisch?«
    Der Bischoff Kare schaut seinen Vorgesetzten verblüfft an, müde Augen hat er, übernächtigt. Selbstverständlich in schwarzer Lederjacke, allerdings mit Taschenschirm. Das kantige Gesicht unrasiert, die Haare duschnass, muss er erst einmal ein Gähnen unterdrücken, bevor er sich äußern kann.
    »Hab ja nicht gewusst, dass du jetzt einen Soundtrack brauchst, wenn du einen Tatort anschaust.«
    »Freilich – und die Musi spielt dazu. Lustig ham wir’s am Friedhof. Das hat aber gedauert bei dir.«
    Er reicht den MP3-Player zurück.
    »Was verpasst?«, fragt der Kare.
    Der Sandner schüttelt den Kopf. Eigentlich schüttelt er den Kopf über sich und über den Kare, er kann sich denken, wo der herkommt. Ob er ihn fragen soll, was die Kathrin meint, zum Fremdvögeln in Ebersberg und zu seiner Trulla? Besser auf den Toten konzentrieren.
    Sein Handy lärmt. Die Wiesner. Er lauscht, wirft einen Blick in die Runde.
    »So, wir wissen inoffiziell, wer es ist, ein Spusimann hat ihn erkannt. Die Sandra hat scho die Daten. Dennis Weiß heißt der Bursch, Schlagzeuger von ›Nachtgoul‹. Gestern haben die noch im ›Zenith‹ aufgespielt.«
    »Das schaut aus wie ein Ritual oder was Mystisches. Was ist da eingeritzt, ein Pentagramm? Liegt da wie der Jesus unterm Kreuz«, kommentiert sein Kollege.
    »Dann bräuchten wir nur drei Tage zu warten, dann könnte er uns die Geschichte selbst erzählen.«
    »Glaubst du, das könnt so was Besessenes, Religiöses sein?«
    »Frag mich was Leichteres. Schau, das Pentagramm zeigt mit der Spitze nach oben. Das heißt ja per se nicht gleich, das Böse geht um.«
    »Glaubst du, dass der Mörder vorher gegoogelt hat? Der gute Wille zählt.«
    »Guter Wille wär ein Monogramm.«
    »Auf jeden Fall will er uns etwas mitteilen.«
    »Wenn das bloß der Fundort ist, gibt es zwei Varianten. Der Täter wollte ihn unbedingt so dem Publikum präsentieren, warum auch immer. Oder – der Tatort hat zum Täter eine Verbindung, daheim zum Beispiel, und er musste ihn eh irgendwo hintun. Weil, wenn du jemanden im Wald derschlägst, kannst du ihn auch flacken lassen und arbeitest dich nicht so ab – oder?«
    Der Kare scharrt mit dem Fuß im Kies, zeichnet einen Kreis.
    »Beide Möglichkeiten zusammen?«
    Die Leichenbestatter erscheinen auf der Bildfläche.
    »Seid ihr dann fertig mit ihm?«, will einer der beiden wissen. Tropfnass bauen sie sich auf, wischen sich das Wasser aus den Augen. Keine Regenmäntel, nur eigenartige, braune Weichplastikhüte ohne Krempe. Zwei Steinpilze im Regen. Durch ihre unterschiedliche Größe werden Tote von ihnen in Schräglage transportiert. Hoffentlich Kopf oben, denkt sich der Hauptkommissar. Wie aus dem Panoptikum,
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