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Der Sandmann: Kriminalroman (German Edition)

Der Sandmann: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Der Sandmann: Kriminalroman (German Edition)
Autoren: Lars Kepler
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hinab, bewegen sich mit magischer Eleganz durch den Schnee und verschwinden in der Nacht.
    Als der Zug sich der langen Igelsta-Brücke nähert, denkt Erik an die Zeit zurück, in der Sissela ihn manchmal auf seinen Fahrten begleitete. In jedem Tunnel und auf jeder Brücke hatten sie sich geküsst. Heute weigert sie sich, seinetwegen auch nur eine einzige Yoga-Stunde zu verpassen.
    Er bremst vorsichtig, lässt Hall hinter sich und rollt auf die hohe Brücke hinaus. Als würde man fliegen. Schnee wirbelt im Scheinwerferlicht im Kreis, so dass man beinahe das Gefühl dafür verliert, wo oben und unten ist.
    Die Lokomotive ist bereits mitten auf der Brücke, hoch über dem Eis der Hallsfjärden, als Lokomotivführer Erik Johnsson im Dunst einen zitternden Schatten erblickt. Auf dem Gleis ist ein Mensch. Erik hupt kräftig und sieht, wie die Gestalt einen großen Schritt nach rechts auf die zweite Trasse macht.
    Die Lokomotive nähert sich ihm mit hoher Geschwindigkeit. Für eine halbe Sekunde befindet sich der Mann im Lichtkegel der Scheinwerfer. Er blinzelt. Ein junger Mann mit einem toten Gesicht. Die Kleider schlottern an seinem schlanken Leib, und dann ist er fort.
    Erik ist sich nicht bewusst, dass er die Bremse betätigt hat und der ganze Zug langsamer wird. Es donnert und quietscht metallisch, und er weiß nicht, ob er den jungen Mann nun angefahren hat oder nicht.
    Er zittert, spürt, wie das Adrenalin durch seine Adern strömt, und ruft die Notrufzentrale an.
    »Ich bin Lokomotivführer und auf der Igelsta-Brücke gerade an einem Menschen vorbeigefahren … er war mitten auf den Gleisen, aber ich glaube nicht, dass ich ihn angefahren habe …«
    »Ist jemand verletzt?«, erkundigt sich die Frau in der Zentrale.
    »Ich glaube nicht, dass ich ihn erwischt habe, ich habe ihn nur ein paar Sekunden gesehen.«
    »Wo genau haben Sie ihn gesehen?«
    »Mitten auf der Igelsta-Brücke.«
    »Auf dem Gleis?«
    »Hier gibt es nur Gleise, es ist eine Eisenbahnbrücke …«
    »Stand er oder bewegte er sich in eine Richtung?«
    »Das weiß ich nicht.«
    »Mein Kollege alarmiert bereits die Polizei und den Notarzt in Södertälje. Die Brücke muss vorläufig für den Zugverkehr gesperrt werden.«

13
    Die Notrufzentrale beordert unverzüglich Streifenwagen zu beiden Enden der langen Brücke. Nur neun Minuten später fährt der erste mit Blaulicht vom Nyköpingsvägen ab und nimmt die schmale Schotterpiste neben der Sydgatan. Die Straße führt in Serpentinen steil aufwärts. Sie ist nicht geräumt worden, und loser Schnee wird auf Motorhaube und Windschutzscheibe geschleudert.
    Die Polizisten steigen am Brückenkopf aus dem Auto und gehen mit eingeschalteten Taschenlampen auf die Gleise hinaus. Es ist nicht ganz leicht, auf den Schienen vorwärtszukommen. Auf der Autobahn tief unter ihnen rollt der Verkehr. Die vier Gleise werden zu zwei Schienensträngen zusammengeführt und verlaufen hoch über dem Industriegebiet Björkudden und der zugefrorenen Bucht.
    Der vordere Polizist bleibt stehen und zeigt auf etwas. Jemand ist ganz offensichtlich vor ihnen parallel zum rechten Gleis gegangen. Im unruhigen Licht der Taschenlampen sind fast verwischte Fußspuren und einzelne Blutspritzer zu sehen.
    Die Lichtkegel der Taschenlampen folgen den Schienen, aber die Polizisten können niemanden sehen. Die Lichter des Hafens beleuchten die Gleise von unten und lassen den Schnee zwischen den Schienen wie Brandrauch pulsieren.
    Erst jetzt erreicht der andere Streifenwagen den mehr als zwei Kilometer entfernten Brückenkopf auf der anderen Seite der tiefen Förde.
    Es poltert unter den Reifen, als Polizeimeister Jasim Muhammed parallel zur Eisenbahnlinie fährt. Sein Kollege Fredrik Mosskin hat gerade Funkkontakt mit den Kollegen auf der Brücke hergestellt.
    Der Wind fährt ins Mikrofon, so dass es fast unmöglich ist, die Stimme des Beamten zu hören, aber es ist jedenfalls erst kürzlich jemand auf der Eisenbahnbrücke gegangen.
    Der Wagen hält, und die Scheinwerfer beleuchten eine hohe Felswand. Fredrik beendet das Gespräch und starrt ins Leere.
    »Was ist los?«, erkundigt sich Jasim.
    »Er scheint auf dem Weg zu unserer Seite zu sein.«
    »Was haben sie über Blut gesagt? Haben sie viel Blut gefunden?«
    »Habe ich nicht verstanden.«
    »Dann wollen wir mal nachsehen«, meint Jasim und öffnet die Autotür.
    Das Blaulicht flackert über Fichten mit schneebeschwerten Ästen.
    »Der Krankenwagen ist unterwegs«, sagt Fredrik.
    Der Schnee
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