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Der Sandmann: Kriminalroman (German Edition)

Der Sandmann: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Der Sandmann: Kriminalroman (German Edition)
Autoren: Lars Kepler
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Stellenanzeige für eine längerfristige Vertretungsstelle im Sicherheitstrakt des Löwenströmschen Krankenhauses las, schlug sein Herz schneller.
    Mit dem Auto sind es nur zwanzig Minuten nach Hause, und es besteht die Aussicht, dass die Vertretungsstelle in eine Festanstellung umgewandelt wird.
    Nach seinem Praktischen Jahr am Krankenhaus Skaraborg und in einer Poliklinik in Huddinge hat er sich mit kurzen Zeitverträgen am Sankt Sigfrids-Krankenhaus über Wasser halten müssen. Die langen Fahrten nach Växjö und die unregelmäßigen Arbeitszeiten ließen sich aber nur schwer mit Petras Stelle in der Hortverwaltung und der Belastung durch das autistische Syndrom seiner Tochter Agnes vereinbaren.
    Es ist gerade einmal zwei Wochen her, da saßen Anders und Petra am Küchentisch, um eine Lösung zu finden.
    »So geht es einfach nicht mehr weiter«, sagte er ganz ruhig.
    »Aber was sollen wir denn tun?«, flüsterte sie.
    »Ich weiß es nicht«, antwortete Anders und strich die Tränen von ihren Wangen.
    Agnes’ Betreuerin in der Vorschule hatte erzählt, dass Agnes einen schweren Tag gehabt habe. Sie hatte sich geweigert, ihr Milchglas loszulassen, und daraufhin war sie von den anderen Kindern ausgelacht worden. Sie konnte einfach nicht akzeptieren, dass die Mahlzeit vorbei war, denn Anders hatte sie nicht zur selben Zeit wie sonst abgeholt. Er war direkt von Växjö aus zur Vorschule gefahren, war aber dennoch erst gegen sechs dort angekommen. Da hatte Agnes noch immer mit im Speisesaal gesessen, die Hände hielt sie fest um das Glas geschlossen.
    Als sie nach Hause kamen, hatte Agnes sich in ihr Zimmer gestellt, die Wand neben dem Puppenhaus angestarrt und auf ihre introvertierte Art in die Hände geklatscht. Er und Petra wissen nicht, was sie an der Wand sieht, aber sie sagt, dass dort graue Stäbchen auftauchen, die sie zählen und stoppen muss. Manchmal reichen ihr schon zehn Minuten, aber an diesem Abend musste sie mehr als vier Stunden so stehen bleiben, bis ihre Eltern sie ins Bett bringen konnten.

2
    Die letzte Sicherheitstür schließt sich hinter ihnen, und sie gehen durch einen Flur zu dem einzigen der drei Isolierzimmer, das benutzt wird. Das Licht der Neonröhre an der Decke spiegelt sich im Kunststoffboden. In etwa ein Meter Höhe ist die Gewebetapete ganz abgescheuert, dort wo der Servierwagen entlangschabt.
    Der Oberarzt benutzt seine Zugangskarte und lässt Anders durch die schwere Metalltür vorgehen.
    Hinter Panzerglas sieht Anders einen schlanken Mann auf einem Plastikstuhl sitzen. Er trägt eine blaue Jeans und ein Jeanshemd. Der Mann ist glattrasiert, und seine Augen sind seltsam ruhig. Die vielen Falten in seinem blassen Gesicht erinnern an rissigen Lehm in einem ausgetrockneten Flussbett.
    Jurek Walter ist nur für zwei Morde und einen Mordversuch verurteilt worden, steht aber in weiteren neunzehn Mordfällen unter dringendem Tatverdacht.
    Dreizehn Jahre zuvor wurde er im Lill Jans-Wald auf frischer Tat ertappt, als er eine fünfzigjährige Frau zwang, wieder in einen Sarg in der Erde zu steigen. Sie war fast zwei Jahre lang von ihm gezwungen worden, in diesem Sarg zu bleiben, und sie hatte es überlebt. Die Frau war damals in einem grauenvollen Zustand gewesen, sie war unterernährt, ihre Muskeln waren verkümmert, sie hatte furchtbare Erfrierungen und schwere Gehirnschäden erlitten und sich wundgelegen. Hätte die Polizei Jurek Walter nicht aufgespürt und ihn an ihrem Sarg gefasst, wäre er wahrscheinlich nie gestoppt worden.
    Der Oberarzt greift zu drei schmalen Ampullen mit einem gelben Pulver, fügt Wasser hinzu und schüttelt sie vorsichtig, ehe er die Flüssigkeit auf eine Spritze zieht.
    Er setzt die Ohrstöpsel ein und öffnet anschließend eine kleine Luke in der Tür. Metall rasselt, und ein satter Geruch von Beton und Staub schlägt ihnen entgegen.
    Mit schleppender Stimme teilt der Oberarzt Jurek Walter mit, dass es Zeit für seine Spritze sei.
    Der Mann hebt den Kopf, steht geschmeidig von seinem Stuhl auf, wendet den Blick der Luke in der Tür zu, nähert sich und knöpft gleichzeitig sein Hemd auf.
    »Bleiben Sie stehen, und ziehen Sie das Hemd aus«, weist Roland Brolin ihn an.
    Jurek Walter bewegt sich weiter langsam vorwärts, woraufhin Roland Brolin rasch die Luke schließt und verriegelt. Jurek Walter hält inne, öffnet die letzten Knöpfe und lässt das Hemd zu Boden fallen.
    Sein Körper ist früher durchtrainiert gewesen, doch heute hängen die Muskeln und die
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