Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Sandmann: Kriminalroman (German Edition)

Der Sandmann: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Der Sandmann: Kriminalroman (German Edition)
Autoren: Lars Kepler
Vom Netzwerk:
von Menschen schnell besiegen würden.

9
    Reidar und Veronica öffnen die Türen zum Speisesaal, und die dröhnende Musik hämmert in ihre Brustkörbe. Menschen stehen dicht gedrängt und tanzen in der Dunkelheit rund um den großen Tisch. Manche essen noch Rehrücken und gegrilltes Wurzelgemüse.
    Der Schauspieler Wille Strandberg hat sein Hemd aufgeknöpft, und es ist nicht zu verstehen, was er ihnen zuruft, als er sich tanzend zu Reidar und Veronica durchkämpft.
    »Take it off«, ruft Veronica.
    Wille Strandberg lacht, reißt sich das Hemd vom Leib, wirft es ihr zu, legt die Hände in den Nacken und tanzt vor ihr. Sein runder Bierbauch hüpft im Takt der schnellen Bewegungen.
    Reidar leert ein weiteres Glas Wein und tanzt anschließend mit kreisenden Hüften vor Wille Strandberg.
    Die Musik wird ruhiger, säuselnder, und der alte Verleger David Sylwan packt Reidars Arm und haucht ihm mit verschwitztem und glücklichem Gesicht etwas zu.
    »Bitte?«
    »Wir sind heute noch gar nicht gegeneinander angetreten«, wiederholt David.
    »Poker?«, fragt Reidar. »Schießen, Ringen …«
    »Schießen!«, rufen mehrere.
    »Holt die Büchse und ein paar Flaschen Sekt«, befiehlt Reidar lächelnd.
    Der hämmernde Rhythmus setzt wieder ein, und alle weiteren Gespräche gehen darin unter. Reidar hebt ein Ölgemälde von der Wand und trägt es aus dem Raum. Es ist ein Porträt von ihm selbst, gemalt von Peter Dahl.
    »Ich mag dieses Bild«, sagt Veronica und versucht, ihn aufzuhalten.
    Reidar schüttelt ihre Hand von seinem Arm ab und geht weiter. Fast alle Gäste folgen ihm in den eiskalten Park hinaus. Auf der Erde wölbt sich sanft und glatt der Neuschnee. Flocken wirbeln unter einem schwarzen Himmel.
    Reidar stapft durch den Schnee und hängt das Porträt an einem Apfelbaum mit schneebedeckten Ästen auf. Wille Strandberg folgt ihm mit einer Handfackel, die er aus einem Karton im Putzschrank geholt hat. Er zieht die Plastikkappe ab und zieht an der Schnur. Es knallt, und Funken sprühen, als die Fackel mit grellem Licht zu leuchten beginnt. Lachend torkelt er zu dem Baum und stellt die Fackel dort in den Schnee. Das weiße Licht erleuchtet den Stamm und die nackten Äste.
    Nun können alle das Gemälde von Reidar, der einen silbrig schimmernden Stift in der Hand hält, sehen.
    Der Übersetzer Berzelius hat drei Sektflaschen mitgebracht, und David Sylwan hält lächelnd Reidars alten Colt hoch.
    »Das ist nicht lustig«, sagt Veronica ohne Kraft in der Stimme.
    David stellt sich mit dem Colt in der Hand neben Reidar. Er schiebt sechs Kugeln in die Kammern und lässt anschließend die Trommel rotieren.
    Wille Strandberg läuft immer noch mit nacktem Oberkörper herum, aber da er betrunken ist, spürt er die Kälte nicht.    
    »Wenn du gewinnst, darfst du dir im Stall ein Pferd aussuchen«, murmelt Reidar und nimmt David den Revolver ab.    
    »Seid bitte vorsichtig«, sagt Veronica.
    Reidar tritt ein paar Schritte zur Seite, zielt mit gestrecktem Arm und schießt, trifft aber nicht. Der Knall hallt zwischen den Gebäuden wider.
    Einige Gäste klatschen höflich Beifall, als hätte er Golf gespielt.
    »Jetzt bin ich dran«, verkündet David lachend.
    Veronica steht fröstelnd im Schnee. Ihre Füße brennen in den dünnen Sandaletten vor Kälte.
    »Ich mag dieses Porträt«, sagt sie erneut.
    »Ich auch«, entgegnet Reidar und feuert noch einen Schuss ab.
    Die Kugel trifft die obere Ecke des Bildes. Staub wirbelt auf, der Goldrahmen löst sich ein wenig und hängt schief.
    David nimmt Reidar kichernd den Revolver aus der Hand, wankt, fällt und feuert einen Schuss in den Himmel ab und dann einen weiteren, als er aufzustehen versucht.
    Manche Gäste klatschen, andere prosten ihm lachend zu.
    Reidar nimmt den Revolver wieder an sich und fegt den Schnee ab.
    »Der letzte Schuss entscheidet«, sagt er.
    Veronica geht zu ihm und küsst ihn auf den Mund.
    »Wie geht es dir?«
    »Großartig«, antwortet er. »Ich könnte nicht glücklicher sein.«
    Veronica sieht ihn an und streicht ihm die Haare aus der Stirn. Von der Gruppe auf der Steintreppe schallen Pfiffe und Lachen herüber.
    »Ich habe eine bessere Zielscheibe gefunden«, ruft eine rothaarige Frau, an deren Namen er sich nicht erinnert.
    Sie schleift eine gigantische Puppe durch den Schnee. Plötzlich kann sie die große Puppe nicht mehr halten, sie fällt auf die Knie und rappelt sich wieder auf. Das Leopardenmuster ihres Kleids ist voller feuchter Flecken.
    »Ich
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher