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Der Sand der Zeit

Titel: Der Sand der Zeit
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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dahinter bewegte sich etwas.
    »Professor Havilland?« fragte ich. »Becker?«
    Keine Antwort. Nur das Gefühl, aus unsichtbaren Augen beobachtet zu werden, wurde stärker.

    Einen Moment lang sah ich mich unsicher um, dann überwand ich meine Furcht und ging auf die Tür zu. Mein Herz begann zu klopfen. Ich spannte mich innerlich, jeden Moment auf einen Angriff gefaßt. Die verrücktesten Gedanken schossen mir durch den Kopf, und meine Hand zitterte, als ich sie ausstreckte, um die Tür vollends zu öffnen.
    Aber dahinter lauerten keine tentakelschwingenden Monster, sondern nur Dunkelheit. Muffige, sehr trocken riechende Luft schlug mir entgegen, und ich erkannte die ersten Stufen einer steinernen Treppe, die in die Tiefe führte.
    »Professor Havilland?« rief ich abermals. »Sind Sie dort unten?«
    Ich bekam auch diesmal keine Antwort, doch irgend etwas zwang mich weiterzugehen. Ich tastete nach dem Lichtschalter und fand ihn so selbstverständlich, als hätte ich schon immer gewußt, wo er zu finden war. Das Licht funktionierte nicht, aber ich entdeckte eine kleine Taschenlampe auf einem Bord direkt unter dem Schalter und nahm sie an mich. Zögernd und mit klopfendem Herzen begann ich die Treppe hinunterzusteigen.
    Das Tageslicht blieb über mir zurück, und erstickende Dunkelheit schlug wie eine finstere Woge über mir zusammen, ehe ich endlich auf die Idee kam, die Taschenlampe einzuschalten.
    Ich fand mich in einem Keller wieder, der halb so groß wie das ganze Haus sein mußte. Im zitternden Licht der Taschenlampe schimmerten die grauen Ziegelsteinwände feucht, und da und dort hatten sich Moder und weißlicher Schimmelpilz eingenistet.
    Überall lag Staub, eine zentimeterdicke, schmierige Schicht, die die Feuchtigkeit aufgesogen hatte und an manchen Stellen schon fast wie schwarzer Schlamm wirkte. Die Luft roch eigentümlich; so, wie man es von einem Kellerraum wie diesem erwartete, aber mit einem zusätzlichen, fremden und stechenden Geruch versetzt, der einem das Atmen schwer machte. Im Strahl der kleinen Taschenlampe tanzten graue Schwaden, die meine eigenen Schritte aufgewirbelt hatten. Es war sehr still.
    Und sehr unheimlich.
    Ich bin wahrhaftig kein ängstlicher Mensch; ganz im Gegenteil, seit ich (mehr oder weniger unfreiwillig) das magische Erbe meines Vaters angetreten hatte, hatte ich Dinge erlebt, deren bloße Vorstellung einem die Haare zu Berge stehen lassen konnten. Und ich hatte auch vorher nicht zu denen gehört, die lauthals pfeifen, wenn sie in einen dunklen Keller gehen. Aber dieses Gewölbe machte mir Angst. Ich wußte nicht, warum, aber mein Herz hämmerte wie rasend, und ich wünschte mir für einen Moment nichts sehnlicher, als herumzufahren und hier hinauszurennen, so schnell ich nur konnte. Gleichzeitig war es, als zöge mich etwas mit fast magischer Macht an.
    Ich tat einen weiteren Schritt in den Keller hinein und schwenkte die Taschenlampe, während ich mich in Gedanken einen elenden Feigling nannte. Der Keller wirkte wie eine etwas unordentlichere Ausführung von Havillands Privatmuseum oben, nur daß es hier keine Glasvitrinen gab, dafür aber deckenhohe Stapel großer, sorgsam beschrifteter Holzkisten, die fast den ganzen vorhandenen Platz einnah-men.
    Mein Fuß stieß gegen einen Kistenstapel und warf ihn um ein Haar um; er war weitaus weniger stabil, als ich geglaubt hatte. Die meisten Kisten mußten leer sein. Gedankenschnell griff ich zu und verhinderte die Katastrophe im letzten Moment, aber der Deckel der obersten Kiste löste sich und fiel polternd zu Boden. In dem stillen Haus wirkte das Geräusch wie der Abschuß einer Kanone.
    Ich blieb einen Moment lang reglos und mit angehaltenem Atem stehen, darauf gefaßt, das gesamte Haus über meinem Kopf zusammenbrechen zu hören, nannte mich dann abermals in Gedanken einen Idioten und hob den Kistendeckel auf.

    Was war nur mit mir los?
    Vorsichtig legte ich den Deckel an seinen Platz zurück, schwenkte die Taschenlampe weiter und hielt verblüfft inne, als der gelbe Lichtkreis über eine schmale Tür an der gegenüberliegenden Wand glitt. Was mich so überraschte, war nicht das Vorhandensein dieser Tür, aber mir war, als hätte ich von ihr gewußt, noch ehe ich sie entdeckt hatte.
    Verwirrt ging ich darauf zu, drückte die Klinke herunter und zögerte noch einmal kurz, als die Tür mit leisem Quietschen aufschwang. Dann tastete ich im Dunkeln nach dem Lichtschalter, und unter der niedrigen, unverkleideten Betondecke flammten
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