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Der Samurai von Savannah

Der Samurai von Savannah

Titel: Der Samurai von Savannah
Autoren: T. Coraghessan Boyle
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ins Boot – er war glatt rasiert, weder jung noch alt, und er trug eine Baseballmütze, an deren Schirm eine herunterklappbare Sonnenbrille befestigt war. Sie saß ganz vorn zwischen zwei Lautsprechern – eine Anordnung, wie sie Lokalpolitiker bevorzugen, wenn sie mit dem Dopplereffekt öffentliche Straße und Plätze beschallen –, während der Mann mit der Mütze hinten einstieg und sich am Motor zu schaffen machte. Es war ein großes Boot, lang, breit, mit flachem Kiel und angenehm stabil. Sie sah starr geradeaus, als Abercorn sich in der Mitte platzierte und Turco, in seiner Dschungelkämpfermontur, direkt hinter ihr in Stellung ging. Der Motor spotzte, hustete, dann erwachte er zum Leben, und sie fuhren los.
    Um elf Uhr war sie heiser, durstig, verschwitzt, sonnenverbrannt und an den Schlüsselstellen ihrer Anatomie zerstochen. Sobald sie einmal kurz innehielt, um Luft zu holen oder einen Schluck Wasser zu trinken, erfüllte Turcos widerliche Stimme die Stille, um sie weiterzutreiben: »Kommen Sie schon, kommen Sie, machen Sie weiter – ich sag Ihnen, das funktioniert, ich kenne diese Burschen, ich kenne sie.« Bald wurde ihr klar, dass das Ganze seine Idee war – eine weitere wahnwitzige Variante der Methode Kofferradio-und-Designer-Kleidung. Sie sah ihn nicht einmal an, sprach nicht mit ihm, wandte nicht ein einziges Mal den Kopf, aber sie machte weiter – für Saxby, für Septima, für sich selbst und für Hiro –, sie machte immer weiter, bis ihr die Stimme versagte.
    Es musste gegen vier gewesen sein, als Wolken aufzogen und ein Gewitter über sie hereinbrach. Abercorn und der Mann mit der Mütze – er hieß Wattsoundso und war ein Mitarbeiter des Sheriffs – wollten zurückfahren, aber Turco wollte nichts davon wissen. Er war angespannt wie eine geballte Faust, seine Miene düster und zornig, sein Ton fraglos pathologisch. »Ich kann ihn riechen«, zischte er. »Irgendwo hier ist er, das weiß ich.« Und dann zu Ruth: »Weiter, verdammt noch mal, machen Sie weiter.«
    Sie hielt sich das Mikrofon vor den Mund und rief Hiros Namen, immer wieder, obwohl sie es für absurd und hoffnungslos hielt, ebenso hirnverbrannt wie die Donna-Summer-Serenaden für die Moskitos. »Hiro!«, schnauzte sie die Baumfrösche und Schildkröten, die Vögel und die Bären und die stummen, immergleichen Stämme an, »Hiro!«, während ihr die Schnaken in die Nase und in die Kehle schwirrten. Sie schrie weiter, auch als das Gewitter losbrach und der Regen auf sie niederpeitschte, windgetrieben und schroff. Und dann packte sie Turco plötzlich am Arm und bedeutete ihr, still zu sein, und da war es, dünn und kläglich, das ferne, regenverhangene Wimmern von Niederlage und Unterwerfung: » Haha! Haha! Haha! «
    Hiro rannte in ihre Arme, stapfte herbei, schmutzstarrend und aus allen Poren blutend, seine Kleider hingen in Fetzen, er platschte durch den Schlick wie ein kleiner Junge, der vom Spielplatz heimkam. » Haha! Haha! «, schrie er, » Okāsan! Okāsan! « Er war im Wahn, er delirierte, das sah sie, sah es in seinem Gesicht und in den irren, starr geweiteten Augen. Turco kauerte hinter ihr wie ein Insekt, und Hiro breitete die Arme aus, rannte, platschte, torkelte auf sie zu, und sie fühlte in diesem Augenblick, dass nichts auf der Welt wichtiger war als dieser arme, gemarterte Mann, dieser liebe kleine Mann, dieser Mann, den sie zu sich eingelassen, den sie genährt und geliebt hatte, und sie rief noch einmal seinen Namen – »Hiro!« –, und dieses Mal, zum ersten Mal, meinte sie es ernst.
    Der Regen strömte herab. Der Sumpf brodelte und summte. Und dann fiel Turco ihn an wie ein Parasit, würgte ihn, presste sein Gesicht ins Wasser, riss ihm die Arme auf den Rücken, bis sie in den Schultern spannten. Sie hievten ihn über den Bootsrand wie einen großen Fisch und legten ihn mit dem Gesicht nach oben in den Kiel. Seine Lebhaftigkeit war jetzt gewichen – er wirkte halb tot, wie er so dalag, sein Kopf war nach hinten gesunken, und seine entzündeten hellbraunen Augen schwammen in ihren Höhlen. Sie ließen nicht zu, dass sie ihn berührte. Sie wollte nichts weiter als ihn im Arm wiegen, seinen Kopf auf ihren Schoß legen, aber sie ließen sie nicht. Daraufhin verlor sie die Beherrschung, nur für einen Augenblick, und gab Turco einen Stoß, beschimpfte ihn, worauf er mit einer Heftigkeit auf sie losging, dass ihr das Herz stehen blieb. Er fasste sie nicht an, diesesmal nicht, aber seinen Gesichtsausdruck würde
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