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Der Samurai von Savannah

Der Samurai von Savannah

Titel: Der Samurai von Savannah
Autoren: T. Coraghessan Boyle
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angerufen, als die Aufregung wegen Janes Unfall gerade etwas abgeflaut war: Er würde Ruth übernehmen. Er war sich sicher, das Buch verkaufen zu können. Er hatte ein paar Anrufe getätigt, und schon trafen die Angebote ein. »Oh, Irving« – sie klatschte in die Hände wie ein naives Früchtchen, wie Brie –, »er nimmt meine Sachen.« Und dann schenkte sie ihm einen so schmelzend dankbaren Blick von so sternfunkelnder, demütiger und ehrfürchtiger Verbundenheit, dass er sein Glas abstellte und ihre Hand mit beiden Händen ergriff. »Irving«, sagte sie noch einmal, und ihre Stimme klang angemessen rau, »wie kann ich jemals –?«
    »Ach, das war doch selbstverständlich«, murmelte er und betrachtete sie dabei, musterte sie mit einem listigen Blick der lidverhangenen talmudischen Augen. »Furchtbar, das mit Jane«, sagte er nach einer Weile. Er hielt immer noch ihre Hand.
    Ruth sah ihm prüfend in die Augen. Was wollte er, das sie antwortete? War er doch auf ihrer Seite, ging es ihm darum? »Ja«, sagte sie. »Furchtbar.«
    Dann sah er weg, tätschelte kurz ihre Hand und gab sie frei. Er hob das Glas an die Nase, atmete tief ein und stellte es dann wieder ab. »Ruthie« – und er zögerte, griff dann erneut nach ihrer Hand –, »Ruthie, ich wollte dich etwas fragen … du weißt doch, dass ich in zwei Wochen von hier weggehe?«
    Ruth nickte. Ihr Herz schlug plötzlich schneller. Sie war sich in höchstem Maße des Drucks von Irvings Hand auf ihrer bewusst.
    »Ich hab mir nämlich ein Haus auf Key West gemietet – da ist das herrlichste Wetter der Welt –, etwa drei Blocks vom Strand entfernt. Schöne große Zimmer, überall riesige Fenster. Hemingway hat mal einen Winter darin verbracht.«
    Sie nickte wieder.
    »Also«, sagte er und musterte sie zwischen den Falten seiner schweren Lider hindurch, »was ich sagen will, ist Folgendes: Ich möchte, dass du mit mir kommst. Dass du dort wohnst – mietfrei, keine Verpflichtungen.« Er machte eine Pause. »Mit mir.«
    Es geschah ganz unwillkürlich, die Namen kamen ihr einfach in den Sinn: Ruth Thalamus, Mrs. Irving Thalamus, Ruth Dershowitz-Thalamus. Sie sah sich an seiner Seite in New York literarische Salons durchstreifen, an seinem Arm in eine Veranstaltung beim Bread-Loaf-Workshop hineinschlendern, sah sich im Bett mit ihm, diese viele Behaarung, seine kräftigen weißen New Yorker Zähne. Ihr Puls raste, ihre Augen glänzten. Und dann dachte sie an Saxby, ihren süßen Sax, mit seinen Fischen und seinen breiten Schultern und seiner Art, aus dem Mundwinkel heraus zu lächeln, sie dachte an Thanatopsis House und an Septima, an Laura und Sandy und alle anderen. Sie war hier die Bienenkönigin; dies war ihr Zuhause. »Du bist lieb, Irving«, sagte sie endlich, »und ich werde dich immer mögen. Du wirst immer mein bester Freund sein, mein Mentor, mein Ratgeber –«
    Irving hatte sich hinter seine Lider zurückgezogen, hinter die mageren Wülste seiner Lippen. »Aber –?«
    »Aber« – sie seufzte, nun konnte sie zu Boden sehen, dann wieder zu ihm auf, sie konnte den Blick durchs Zimmer schweifen lassen, ehe sie sich wieder ihm zuwandte, sie hatte unendlich viel Zeit –, »aber ich kann Sax nicht verlassen.«
    Der erste Anruf am nächsten Morgen war von Marker McGill. Er hatte ein Angebot für sie und wollte wissen, was sie davon hielt. Ein großer Verlag – er nannte den Namen – wäre bereit, ihr 500.000 Dollar Vorschuss auf eine fünfzehnprozentige Beteiligung am Buchverkauf zu zahlen, und die Rechte für den Erstabdruck in einer der größten Frauenzeitschriften – er nannte sie – brächten noch einmal 75.000, für drei Folgen. Wie klang das?
    Und deshalb war sie nun hier, zu Gast bei den Fortunoffs, hatte Verträge in der Post, neue Kleider auf dem Bett – eine Journalistin auf dem Weg ins Krankenhaus, um dort Hiro Tanaka zu interviewen und sich ein paar Notizen zu machen. Es war warm, aber sie würde den Mantel trotzdem überziehen – immerhin hatte der Herbst begonnen –, und, ach ja, sie würde ihr Haar noch ein bisschen aufhellen, um die Rot- und Goldtöne etwas besser zur Geltung zu bringen. Anschließend würde sie in Strümpfe und die hohen Schuhe schlüpfen, das neue Kostüm anziehen, ihren Rekorder, Notizblock und Stifte einstecken und ein Taxi rufen. Vor dem Krankenhaus würden Fotografen warten, und sie würde schick für sie aussehen – verführerisch und attraktiv, ja, aber mit einer gewissen Reife, auf stilvolle,
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