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Der Samurai von Savannah

Der Samurai von Savannah

Titel: Der Samurai von Savannah
Autoren: T. Coraghessan Boyle
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Zeitschrift aufgeblickt, in der sie teilnahmslos blätterte, und Jane in einem englischen Reitkostüm durch die Halle gehen sehen, als wollte sie für eine Rolle in National Velvet vorsprechen. Im Laufe des frühen Nachmittags hatte Ruth bereits mit der New York Times , dem San Francisco Chronicle , diversen Blättern aus Atlanta, Savannah und Charleston gesprochen, außerdem mit einem Sendeleiter von CBS und Mr. Shikuma von der Japanisch-Amerikanischen Gesellschaft, der ihr wärmstens für ihren Beitrag beim Ergreifen seines vom rechten Weg abgewichenen Landsmanns dankte, sich lang und breit für jegliche Unannehmlichkeiten und Ärgernisse bei ihr entschuldigte, die der Seemann Tanaka ihr bereitet haben mochte, und ihr schließlich versicherte, die überwiegende Mehrheit der Japaner – ja im Grunde das ganze Volk, bis auf den Seemann Tanaka, der natürlich geistesgestört sei – achte Gerechtigkeit und anständiges Benehmen hoch. Die Telefongespräche hatten ihre Laune verbessert, und sie hatte sich sogar schon diversen Tagträumen über das Buch, das sie schreiben wollte, über die Höhe des Vorschusses und dessen Verwendungsmöglichkeiten hingegeben, als sie plötzlich aufblickte und Jane sah, worauf es sie gleich wieder heiß und kalt durchlief.
    Der nordische Sklave stand an der Tür bereit – oder war er nur ein schwedischer Bauer? –, und Jane stolzierte auf ihn zu, um ihn öffentlich zu umarmen, wobei sie ungemein selbstbewusst und schick wirkte in ihren Kniehosen, den Stiefeln und der lächerlichen kleinen Kappe, die wie eine Serviette auf ihrem buschigen Haar saß. Sie ging reiten. Ruth stand im Zentrum eines Mediengewitters, Ruth hatte in den Sümpfen ihr Leben aufs Spiel gesetzt, bei der Ergreifung eines verzweifelten Flüchtlings assistiert und den Behörden eine lange Nase gedreht, aber Jane ging reiten. Der ganze Hass, den Ruth für sie empfand, stieg brodelnd an die Oberfläche, und sie kniff die Augen zusammen, um diese Frau mit einem ätzenden Blick zu durchbohren. Aber Jane erwischte sie – gerade als sich Ruth wieder der Zeitschrift auf ihrem Schoß zuwenden wollte, wirbelte Jane herum und fing ihren Blick auf, ertappte sie beim Beobachten, beim Schnüffeln, beim Spionieren, beim Beneiden der nordischen Umarmung, und sie setzte kurz ein perfektes Schmollmundlächeln des Triumphs auf.
    Zwei Stunden später brachten sie sie herein. Das Pferd war auf sie gestürzt und hatte ihr eine dreifache Fraktur des rechten Beins zugefügt. Janes Gesicht war schmerzverzerrt, auf ihren Kniehosen war Blut, dort, wo die schroffe Spitze des Knochens die Haut durchstoßen hatte. Sie trugen sie hastig in den Salon und betteten sie auf die Couch, der schwedische Bauer und Owen, der sich dabei das Hemd mit dem Blut der Erhabenen beschmierte. Jane kreischte wie eine Frau, die gerade Drillinge gebar, sie kreischte atemlos und ununterbrochen, außer um ab und zu in heisere Flüche und Schluchzer auszubrechen. Ruth hielt sich im Hintergrund, während die gesamte Kolonie durcheinanderwuselte. Sie hatte sich noch nie an den Schmerzen anderer Menschen weiden können, ganz egal wie verachtenswert sie waren und wie sehr sie es verdient hatten, oder? Nein. Das konnte sie nicht. Und doch wirkte sich ein feiner Faden von Befriedigung in den Vorfall – noch während Jane sich krümmte und schrie, nach ihrer Mutter rief und den schwedischen Bauern beschimpfte: »O Gott, o Gott – fass mich nicht an, Olaf, du Idiot, du – auuu, Mammi, Mammi, das tut so weh!« –, und der Faden endete so: Jane würde vorerst ruhiggestellt sein. Jedenfalls eine Zeit lang. Schade war das, wirklich schade. Im Geiste feilte Ruth schon an ihrem Auftritt im Billardzimmer.
    Sie brachten Jane ins Krankenhaus. Das Abendessen an diesem Tag verlief in gedrückter Stimmung, es war eine freudlose Angelegenheit mit geflüsterten Unterhaltungen und verstohlenen Blicken, bei der die Künstler Armands Hummer-Tortellini wortlos zum Munde führten und nach den Ereignissen der vergangenen Tage in eine Art Schockzustand verfielen. Janes Platz blieb auffällig leer. Düstere Gerüchte machten die Runde – über Hiro, über Ruth, über Jane. Nach dem Essen, als Saxby – der als Einziger der ganzen Gesellschaft fröhlich und unverdrossen geblieben war – nach seinen Fischen sehen ging, nahm Irving Thalamus Ruth beiseite.
    »Also, erzähl mal«, sagte er und schwenkte die bernsteinfarbene Flüssigkeit im Glas, »wie ist es gelaufen mit Marker?«
    McGill hatte
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