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Der Samenbankraub: und andere unglaubliche Kriminalgeschichten (German Edition)

Der Samenbankraub: und andere unglaubliche Kriminalgeschichten (German Edition)

Titel: Der Samenbankraub: und andere unglaubliche Kriminalgeschichten (German Edition)
Autoren: Gert Prokop
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Zimmer. Sie erkundigte sich müde, ob er noch Wünsche habe, sonst würde sie sich zurückziehen und ihn ausschlafen lassen. Bentley sei ein Langschläfer, der sich selten vor Mittag blicken ließ. Timothy schickte sie ins Bett, er konnte es kaum erwarten, daß sie verschwand. Er ließ die schweren Vorhänge aufgleiten und entdeckte, daß es hier noch richtige alte Fenster zum Öffnen gab, mit Handriegeln. Er machte ein Fenster auf und lehnte sich hinaus. Tatsächlich – das Meer!
    Keine Sinnestäuschung, kein Video; er konnte es hören, riechen und sehen.
    Sein Zimmer lag in dem Teil des Hauses, der auf das Meer hinausragte, irgendwo unter ihm schlug das Wasser mit ächzendem Klatschen und Schmatzen an Land, gurgelte, krängelte, platschte, und in dem Lichtschein, der aus seinem Fenster fiel, sah Timothy, wie der Gischt langer, flacher Wellen aus dem Dunkel auftauchte und auf das Haus zuwallte, drei, dann vier Kämme, dann wieder drei, wie seit Ewigkeiten; eine leichte Brise wehte ihm einen unbekannten herben Duft ins Gesicht; das mußte der Geruch von Meer und Algen und Tang sein, von dem Grandma so oft gesprochen hatte. Timothys Großvater war eine Zeitlang als Kapitän eines Erztransporters zur See gefahren, als die Staaten noch eine Flotte besaßen, und Absolom Truckle hatte seine junge Frau ein paarmal mit auf die Reise genommen, einmal sogar nach Südafrika.
    Timothy starrte auf das Meer hinaus, sog den würzigen Duft ein, Erinnerungen schwemmten aus den Tiefen seines Gedächtnisses nach oben, Fetzen von Abenteuererzählungen und Märchen und Seemannsgarn. Timothy fühlte sich unbeschreiblich glücklich. Allein diese Minuten hatten die Reise gelohnt. Am liebsten wäre er aus dem Haus gestürzt und an den Strand gelaufen, ins Wasser gesprungen und hinausgeschwommen, doch er kämpfte seine irrationalen Gelüste nieder.
    Aber vielleicht konnte man das Meer nicht nur sehen und riechen und hören, sondern sogar in ihm baden? Wenn es nicht stimmte, daß mit Ausnahme der Coast-Guard, die spezielle Schutzanzüge trug, kein Mensch mehr die Küste betreten durfte, dann stimmte es vielleicht auch nicht, daß das Meer verseucht war. Würde Bentley den größten Teil des Jahres an einem lebensgefährlichen Ort verbringen? Timothy hatte nie geglaubt, daß die von DRAUSSEN schuld daran seien, doch jetzt bezweifelte er, daß das Küstengebiet überhaupt verseucht war. Am Ende war das nur ein gigantischer und in seiner Perfektion schon genialer offizieller Schwindel, um die Staatler vom Meer und damit vor der Massenflucht abzuhalten? Vielleicht gab es nicht einmal mehr die ISOLATION?
    Er konnte nicht einschlafen. Er schluckte schließlich eine Rosaperle, und als er aufwachte, schien die Sonne durch das Fenster, tatsächlich: Sonne! Timothy sprang aus dem Bett.
    Das Meer lag fast unbewegt, graugrün, es wogte und glitzerte träge. Ein paar Dutzend Meter vor dem Haus blitzte etwas auf, verschwand, tauchte wieder auf, jetzt näher, Timothy erkannte eine silberne Kopfmaske und darunter den nackten Körper einer jungen Frau. Man konnte baden!
    Die Zimmertür war fest verschlossen. Timothy drückte den Communicator. Ingers Bild erschien auf dem Monitor.
    »Guten Morgen, Tiny«, begrüßte sie ihn. »Haben Sie gut geschlafen? Haben Sie geträumt, vielleicht von mir? Sie wissen doch, der erste Traum in einem neuen Bett geht in Erfüllung.« Sie lächelte spöttisch. »Ich hätte Sie ohnehin bald wecken lassen. Mister Bentley will Sie um elf Uhr sprechen.« Sie entschuldigte sich mit dringender Arbeit. Audrey würde ihn betreuen.
    Audrey hätte Ingers jüngere Schwester sein können. Sie führte Timothy in das Frühstückszimmer und leistete ihm Gesellschaft, doch Aufmerksamkeit und ihr Anblick waren alles, was sie zu bieten hatte; sie war nicht bereit, auch nur die simpelsten Fragen zu beantworten. Timothy möge bitte verstehen, aber sie habe keine Instruktionen, wie weit sie gehen dürfe, da schweige sie lieber. Timothy blickte auf die Uhr; noch eine halbe Stunde.
    »Vielleicht fragen Sie mal, ob Sie einen Spaziergang mit mir machen dürfen, Audrey? Ich möchte zu gerne ans Wasser, wenn Sie das verstehen.«
    Ja, das verstand sie. Doch leider ... Sie blickte Timothy in die Augen. Vielleicht hätte er Lust, die halbe Stunde auf nicht weniger vergnügliche Weise mit ihr zu verbringen? Das muß am Klima liegen, dachte Timothy verwirrt.
    Jetzt müsse er um Verständnis bitten, sagte Timothy, er wolle sich für das Gespräch mit ihrem
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