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Der Ruf des Kulanjango

Der Ruf des Kulanjango

Titel: Der Ruf des Kulanjango
Autoren: Gill Lewis
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flachen Fels zurück und hielt das Notizbuch in die Höhe. »Ich werd euch niemals was erzählen«, brüllte sie, »niemals.«
    Rob machte einen Schritt auf sie zu. »Los. Zeig’s mir.«
    Iona blickte ihn wütend und entschlossen an.
    »Hör auf, Rob!«, rief ich.
    Euan versuchte Rob wegzuziehen, aber der schüttelte ihn ab.
    »Was ist dein großes Geheimnis, Iona?«, schrie Rob. Er stürzte sich auf sie.
    Iona nahm Anlauf, um über die Felsen zum gegenüberliegenden Flussufer zu springen – ein Sprung, der unmöglich gelingen konnte. Sie rutschte auf dem nassen Stein aus und stürzte in eine Gumpe nahe am anderen Ufer. Das Notizbuch flog ihr aus der Hand und trudelte durch die Luft, bevor es auf dem Wasser aufschlug und vom reißenden Strom verschlungen wurde. Iona kroch aus dem Wasserloch, kletterte das steile Ufer hoch und verschwand im dichten Kiefernwald. Der Fluss brauste das Tal hinunter, das zwischen uns lag, und hatte das Notizbuch und Ionas Geheimnis längst mit sich gerissen.

Kapitel 2
    Euan wandte sich an Rob. »Warum hast du das gemacht? Drei gegen eine. Sie war allein.«
    Rob versetzte einem Büschel Heidekraut einen Tritt und starrte hinüber ans andere Ufer. »Mein Dad hat wegen ihrer Mutter den Job verloren.« Er drehte sich mit grimmigem Gesicht zu Euan. »Sie hat ihm den letzten Rest Geld gestohlen und ist damit abgehauen. Sie wird es nicht wagen, noch einmal den Fuß auf schottischen Boden zu setzen.«
    »Das war vor vielen Jahren«, sagte ich. »Aber warum ist Iona wieder hier?«
    »Wahrscheinlich will sie für ihre Ma stehlen«, blaffte Rob. »Das ist eine üble Bande, die McNairs. Mein Dad wird dieser Familie niemals vergeben, was sie ihm angetan hat.«
    Euan spuckte auf den Boden und funkelte Rob wütend an. »Was willst du jetzt mit diesem Fisch machen?«
    Rob hob die Forelle auf. Sie war tot. Ihr Körper hatte den leuchtenden Glanz verloren und die Augen waren stumpf und glasig. Rob drehte sich zu mir und schob den Fisch inmeine tiefe Jackentasche. »Das ist dein Fluss, also ist es auch dein Fisch.«
    »Ich will ihn nicht«, entgegnete ich.
    Aber Rob sah mich einfach nur böse an und stapfte hoch zu den Rädern.
    »Sie hat ihre Jacke und die Schuhe liegen gelassen«, sagte ich zu Euan.
    »Am besten, wir lassen das hier«, meinte er und folgte Rob. »Sie wird es auf dem Rückweg finden.«
    Euan radelte hinter Rob und ich beobachtete die beiden, wie sie den schlammigen, holprigen Pfad abwärtsschlitterten.
    Ich zog die Kapuze über den Kopf, schnallte meinen Fahrradhelm darüber und steckte die Hände in die Handschuhe. Dann nahm ich das andere Ufer in Augenschein. Vielleicht konnte ich noch einen flüchtigen Blick auf das Mädchen werfen. Ich entdeckte sie weiter oben im Tal, eine kleine Gestalt in der Ferne, die auf den See zusteuerte. Ein kalter Wind wehte über die Lichtung. Regen lag in der Luft, man konnte es spüren. Ich zog los und folgte Rob und Euan den steilen Pfad hinunter flussabwärts, aber die ganze Zeit musste ich daran denken, dass wir bleiben und sehen hätten sollen, ob sie noch kommt.
    Euan und Rob warteten am alten Steinbruch auf mich.
    Euan hielt das Gatter zum Gleis der alten Erz-Förderbahn offen, das zum Dorf unten im Tal führte. »Kommst du mit uns?«, fragte er.
    Ich schüttelte den Kopf. »Ich geh direkt über die Weiden nach Hause. Das geht schneller.«
    Ich sah ihnen nach, wie sie sich am Gleis entlang auf die von ferne mattorange schimmernden Straßenlampen zubewegten und dann verschwanden. Das Tageslicht verblasste im Nu. Bald würde die Dunkelheit hereinbrechen.
    Es begann zu regnen, kalt und stechend, als fielen Eisnadeln vom Himmel. Ich schaute zurück und hoffte, Iona zu sehen, aber ich entdeckte sie nirgends. Sie trug weder Jacke noch Schuhe und ihre Kleidung war vom Flusswasser durchnässt. Sie würde erfrieren, wenn sie weiter so herumlief. Hier in den Bergen starben jedes Jahr Menschen, die vom Wetter überrascht wurden.
    Ich drehte mein Rad um und fuhr den Weg zurück. Ich wollte sie suchen. Durch die tiefen Furchen in der Erde strömte das Wasser. Ich las Ionas Jacke und Schuhe auf und hielt oben auf der Kuppe an, um Atem zu schöpfen. Der Regen verschleierte die steilen, bewaldeten Ufer des Lochs. Iona konnte überall sein.
    Ich folgte dem Pfad auf die andere Seite des Sees und rief ihren Namen. Die Wolkendecke hing tief über dem Wasser. Dunkle Wellen schwappten gegen die Felsen.
    »Iona!«, schrie ich, aber meine Stimme wurde vom Wind
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