Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Ruf des Kulanjango

Der Ruf des Kulanjango

Titel: Der Ruf des Kulanjango
Autoren: Gill Lewis
Vom Netzwerk:
das?«
    »Ja, Dad.«
    »Wo bist du gewesen?«, fragte er. »Du solltest schon vor Stunden zurück sein.«
    »Mir ist die Kette rausgesprungen«, log ich. »Es tut mir leid.«
    »Geh rein und erzähl das deiner Mutter«, sagte Dad. »Die hat schon mit dem halben Dorf telefoniert, um herauszufinden, wo du bist. Sie hat Graham rausgeschickt, um nach dir zu sehen. Er war ziemlich sauer, weil er heute Abendzum Konzert einer Band wollte. Besser, ich schick ihm eine SMS.«
    Ich lehnte mein Rad an die Hauswand, schleuderte meine Schuhe in die Ecke und schlüpfte in die Küche. Auf dem Steinfußboden hinterließen meine Füße große nasse Abdrücke.
    »Wie siehst du denn aus!«, rief Mum. »Ich hab mir solche Sorgen gemacht. Du hättest vor Einbruch der Dunkelheit zurück sein sollen. Rob und Euan haben erzählt, dass ihr zusammen oben am Fluss wart. Graham ist jetzt droben und sucht dich.«
    »Dad hat ihm eine SMS geschickt«, sagte ich.
    »Los, zieh dir trockene Sachen an und iss etwas«, sagte Mum. »Wenn ich du wäre, würde ich Graham aus dem Weg gehen.«
    Ich ging die Treppe hoch in mein Zimmer und schälte mich aus den nassen Klamotten. Meine Finger waren klamm und nicht zu gebrauchen. Ich zog mir einen Pulli über und eine Felljacke, meine gefütterte Armeehose und zwei Paar Socken, aber ich fror immer noch. Ich dachte an Iona und hoffte, dass sie mittlerweile dort angekommen war, wo immer sie wohnte. Was wäre, wenn nicht? Ich wusste, dass ihr Großvater am Rand des Dorfs lebte, aber er war der verrückte alte McNair. Ich konnte da unmöglich hin.
    Ich ging wieder hinunter in die Küche und setzte mich an den Tisch. Dad tat sich schon Fleischpastete und Bratkartoffeln auf.
    Die Tür flog auf und Graham ging am Tisch vorbei. Er warf mir nicht einmal einen Blick zu.
    Mum reichte mir einen Teller mit Essen. Ich war am Verhungern.
    Draußen waren schwere Schritte zu hören und dann wurde laut an die Tür geklopft.
    »Komm rein, Flint!«, rief Mum.
    Robs älterer Cousin Flint betrat den Raum in seiner ledernen Motorradkluft, den Helm in der Hand. Es war Freitagabend. Er und Graham wollten zum Konzert in die Stadt.
    »Graham wird nicht lange brauchen«, sagte Mum. »Du isst doch sicher ein bisschen Pastete, Flint?«
    Flint grinste. »Bei Ihrer Pastete kann ich nicht Nein sagen, Mrs McGregor. Sie kennen mich doch.«
    Er setzte sich an den Tisch, beugte sich zu mir und flüsterte: »Wie ich höre, schläfst du ab jetzt in der Hundehütte, Kleiner.«
    Ich spießte noch eine Bratkartoffel auf die Gabel.
    »Wenn es dich irgendwie tröstet«, fuhr Flint fort, sodass es Mum und Dad hören konnten, »Tante Sal hat Rob auch ganz schön zusammengestaucht, als er nach Hause kam. Er war klitschnass und sah aus wie eine ersoffene Ratte. Er musste ohne Abendessen ins Bett.«
    Ich schluckte meinen Rest Pastete hinunter. Hatte Rob seiner Mum von Iona erzählt? Wohl eher nicht.
    Ich versuchte, das Thema zu wechseln.
    »Stimmt doch, dass unsere Familie das Land seit über hundert Jahren bewirtschaftet?«, fragte ich.
    Dad blickte auf. »So ungefähr«, sagte er. »Warum?«
    »Gibt es auf unserem Land irgendwelche Geheimnisse?«
    »Geheimnisse?«, wollte Dad wissen. »Was für Geheimnisse?«
    In diesem Augenblick betrat Graham das Zimmer. Er hatte sich geduscht, seine Lederkluft angezogen und duftete nach Shampoo und Aftershave. »Das einzige Geheimnis, das ich kenne«, sagte er und sah mich dabei direkt an, »ist das flache Grab, in das ich dich werfe, wenn ich wegen dir noch einmal zu spät dran bin.«
    »Graham!«, rief Mum. Aber Graham war schon auf dem Weg nach draußen.
    »Danke, Mrs McGregor«, sagte Flint und folgte Graham auf den Hof.
    Die Motorräder heulten auf und starteten und ich sah zu, wie sich die Lichtkegel der Scheinwerfer den Feldweg hinunterschlängelten.
    »Von irgendwelchen Geheimnissen ist mir nichts bekannt«, nahm Dad den Faden auf. »Warum fragst du?«
    Ich zuckte mit den Schultern. »Ach, nur so«, sagte ich. Aber tief in mir drin fühlte ich unwillkürlich, dass da etwas war, von dem niemand von uns etwas wusste, ein Geheimnis, das irgendwo in den Bergen und Tälern unseres Landes verborgen lag.
    Und morgen würde ich es herausfinden.

Kapitel 4
    Am nächsten Morgen erschien ich mit meiner dicken Fleecejacke und meinem Rucksack am Frühstückstisch.
    »Was glaubst du, wo du hingehst?«, fragte Mum.
    »Nach draußen«, antwortete ich.
    Sie hob die Augenbrauen. »Das glaub ich kaum. Nicht nach dem, was du dir
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher