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Der Ruf der Wollust: Roman (German Edition)

Der Ruf der Wollust: Roman (German Edition)

Titel: Der Ruf der Wollust: Roman (German Edition)
Autoren: Susan Squires
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zu begreifen, dass seine Kunst in der Beschränkung lag. Ihre Krawattentücher waren so gewaltig, dass sie kaum noch den Kopf bewegen konnten, und ihre engen Hosen glänzten in blassem Gelb oder Taubengrau. Außerhalb dieses Kreises an unreifen Schönlingen hielten sich die höherklassigen Vertreter der englischen Gesellschaft auf, Minister und Lords, Modeikonen und Künstler. Sie kamen in Beatrix’ Salon, um sich zu unterhalten, dabei Champagner zu trinken und gesehen zu werden. Alles wartete darauf, Bonmots mit der Kurtisane auszutauschen, die zurzeit nicht nur die begehrteste war, sondern darüber hinaus auch noch als gebildet galt. Einige wollten jedoch mehr als das. Einer von ihnen würde heute Abend mehr bekommen, wenn auch nicht das, was er erwartete.
    »Er … wird gewiss noch kommen, Gräfin«, versprach der sehr reiche und sehr beeindruckende Lord Melford. »Er gab mir seine Zusage, bevor er zu seinem Landsitz aufgebrochen ist.«
    »Ich glaube nicht, dass dieser Unvergleichliche existiert.« Beatrix verzog die Mundwinkel nach unten.
    »Oh doch, es gibt ihn«, protestierte Alvaney. »Er hat eine Wohnung in Albany House. Ich wohne dort in Nummer vier und sehe ihn gelegentlich.«
    »Aber haben Sie ihn heute gesehen?«, fragte Beatrix gedehnt. Sie durfte sich ihre Qual nicht anmerken lassen.
    Alvaney wirkte niedergeschlagen. »Verdammt! Ich kann nicht behaupten, dass ich das hätte.«
    Beatrix brachte ein Schulterzucken des Missvergnügens zustande. Falls es ihr Hunger war, der sie anfällig für den Ansturm von Erinnerungen machte, könnte sie sich heute Nacht noch darum kümmern.
    »Ich … ich könnte zu Ihrer Unterhaltung einige Verse rezitieren, Gräfin.« Blendons Wangen färbten sich rot. Sie alle waren so lächerlich jung.
    »Ich habe Ihre Verse bereits gehört«, erwiderte sie und war selbst über ihre Sanftmut überrascht.
    »Ah, ja«, sagte er, und die Röte in seinem Gesicht wurde noch tiefer. »Ja, das haben Sie.«
    »Sie waren recht ansprechend.« Das waren sie selbstverständlich nicht gewesen. Aber manchmal mochte sie die Schüchternen. Er hatte nicht den Körperbau, den sie vorzog, aber das war vielleicht durchaus zu seinem Besten. Seine Figur wirkte geschmeidig. Er hatte sicher eine glatte Brust fast ohne ein Haar. Deshalb kam vielleicht doch eher Blendon infrage. Hinter Blendon unterhielten sich Castlereagh, der Sekretär des Außenministeriums, und Wellesley-Pole, Irland-Minister und Bruder Wellingtons, über Politik. Beatrix hob ihre schmale weiße Hand. »Mr. Castlereagh, ich bitte Sie, kein Wort mehr über die Frage der Emanzipation der Katholiken. Wenn sie masochistisch genug veranlagt sind, für ein Amt kandidieren zu wollen, warum sollte man sie nicht einfach lassen?« Zwei junge Männer kicherten.
    »Die Antwort auf diese Frage könnte das Land spalten«, erklärte Castlereagh mit finsterer Miene.
    »Oh, das bezweifle ich.« Beatrix seufzte. »Sie wären überrascht, wie viel es braucht, ein Land zu spalten.« Ihre Aufgabe war es, den Abend ohne eine weitere Entgleisung durchzustehen.
    »Bei mir ist es der Milchmangel, der meinen Haushalt spaltet«, schmollte Melford. »Die Köchin macht die Haushälterin dafür verantwortlich, welche wiederum den Kaufmann beschuldigt, die Milch nicht regelmäßig zu liefern, sondern sie zu horten.«
    »Lady Wentworth sagt, Ihr Teint sei das Ergebnis von Milchbädern, Lady Lente«, meinte Blendon verwegen.
    »Und jetzt kaufen alle Ladys den gesamten Milchvorrat auf, um auch in Milch zu baden!«, rief Melford.
    Beatrix seufzte. Es war wirklich unglaublich leicht, zum letzten Schrei zu werden. »Genau genommen ist es wichtiger, nicht in die Sonne zu gehen.« Irgendetwas Interessantes musste jetzt und hier passieren, etwas, das sie noch nicht tausend Mal zuvor erlebt hatte, oder sie würde wieder die Beherrschung verlieren.
    Blendon, der auf einem kleinen Schemel zu ihren Füßen hockte, schaute zu ihr hoch. »Die Ladys bedrängen auch die Parfümeure, den Duft zu kopieren, den Sie tragen, Gräfin.«
    »Zimt«, warf Lord Halmore ein, der sich zu der Schar um Beatrix gesellt hatte. »Und noch etwas anderes. Werden Sie uns verraten, was es ist?«
    »Das bleibt mein Geheimnis, Mylord«, murmelte Beatrix. Das wahre Geheimnis? Sie trug gar kein Parfüm.
    Abende wie dieser dehnten sich ins Endlose. Fröhlichkeit allein konnte den Schutzwall nicht aufrechterhalten. Die Kunst war immer ihre Zuflucht gewesen. Sie schaute auf die mittelalterlichen Wandbehänge,
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