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Der Rucksackmörder

Der Rucksackmörder

Titel: Der Rucksackmörder
Autoren: Jaques Buval
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parkten vor dem Haus.
    »Bleibt nur ruhig, ich rede schon mit ihnen«, beruhigt der Nachbar die Milats. »Bei mir hätte der Kerl nicht nur vier Finger verloren. Von mir hätte er vier Kugeln in den Leib bekommen, dieser Verbrecher.«
    »Meinst du, man wird uns glauben?«, fragt Milat seinen Nachbarn.
    »Natürlich, das sieht doch ein Blinder, was hier passiert ist.
    Wartet nur ab, der Schrecken ist gleich vorüber.«
    »Hoffentlich«, kommt es mit einem Seufzer aus Stijphans Mund.

    Ein schwerer Polizeigeländewagen kommt die Straße herauf und hält vor dem Grundstück der Milats. Behäbig steigt der wohlbeleibte Sergeant John aus dem Wagen und geht auf die Wartenden zu. Er umarmt Milats Nachbar und gibt ihm lachend zu verstehen: »Bist du verrückt, mich um diese Zeit aus dem Bett zu holen. Du wirst doch nicht glauben, dass ich dir die Geschichte mit den Fingern abgenommen habe. Sicher ist deine Frau schon zu Bett gegangen, und du brauchst jemanden, der dir deine Langeweile vertreibt.«
    Doch dann sieht er die Angst in den Gesichtern der Milats, und ihm wird auf der Stelle klar, dass etwas Entsetzliches vorgefallen sein muss.
    »Na das ist ja eine abenteuerliche Geschichte«, stellt er nun dienstlich klingend fest. »Zeigen sie mir erst einmal die Finger, die sich auf dem Fensterbrett befinden sollen.« Nahe dem Fenster bemerkt der Beamte, wie sich die Aufregung der kleinen Frau immer mehr steigert. Immer nervöser wirkt sie, immer fahriger werden ihre Antworten. »Bleiben Sie mal besser hier, nicht dass Sie mir noch einen Herzanfall bekommen«, versucht der Polizist die Frau zu besänftigen.
    Stijphan legt zärtlich seine Arme auf die Schultern seiner Frau Margaret und drückt seine »Kleine« ganz fest an sich. Als der Beamte die vier Finger erblickt, zieht er seelenruhig eine Plastiktüte aus seiner Jackentasche und legt das Corpus Delicti hinein. Er bringt die Tüte in den Kofferraum seines Wagens und kehrt zum Haus zurück.

    »Aber ein Protokoll müssen wir schon aufnehmen. Sind Sie dazu in der Lage?«, ist seine Frage an Margaret, die nur mit einem Kopfnicken antwortet.
    So belässt er es bei einem kurzen Vernehmungsprotokoll, das Margaret lediglich unterzeichnen muss. Der Polizist tätschelt noch einmal die Hand der Frau und versucht, sie mit einem Witz aufzumuntern: »Der die Finger verloren hat, gute Frau, kann sie ja auf dem Revier wieder abholen.« Für ihn war damit die Angelegenheit erledigt.

    Der Mann, der in dieser Nacht vier Finger verlor, wurde nie gefunden.

    Simones große Tour

    Wolkenverhangen ist der Himmel über der bayerischen Stadt Regensburg in diesen Tagen. Wie die Geschichte zu berichten weiß, wird diese Stadt schon um 500 v. Chr. als Keltensiedlung
    »Rataspona« erwähnt. 179 n. Chr. wurde hier ein römisches Heereslager errichtet. Im 8.-9. Jahrhundert ist Regensburg Mittelpunkt des ostfränkischen Karolingerreiches. Im Mittelalter entstehen der berühmte Dom, die romantischen Gassen der Altstadt und die 300 Meter lange steinerne Brücke, die noch heute den zweitgrößten Strom Europas, die Donau, überquert. Hunderttausende von Besuchern »pilgern«
    alljährlich durch die alten Straßen der Stadt und lassen sich von ihrem historischen Flair inspirieren.

    In dieser altertümlichen Diözesanstadt sitzt in seiner schmuck eingerichteten Zweizimmerwohnung Herbert Schmidl und wartet sehnsüchtig auf einen Telefonanruf seiner Tochter Simone, die im fernen Australien unterwegs ist. Vier Monate ist es bereits her, seit Simone am 29. September 1990 auf ihre große Tour ging. Der Abschied ist ihm noch in guter Erinnerung.

    Es ist 5.30 Uhr, als er seine Tochter zum Hauptbahnhof fährt Die quirlige junge Frau sprudelt über vor Glück, denn endlich ist der Tag gekommen, auf den sie so endlose Monate gewartet hat.
    Am Bahnhof dann die Überraschung: Die Kameradinnen ihres Regensburger Turnvereines, dem sie seit Jahren angehört, sind gekommen, um sich von ihr zu verabschieden. Riesige beschriftete Transparente sind das Erste, was Simone in der Bahnhofshalle wahrnimmt. In dicken Lettern kann sie lesen:
    »Hallo Simone, wir wünschen dir eine glückliche Reise.«
    Simone ist fassungslos vor Freude und genießt den Augenblick. Die Mädchen kreischen und johlen, springen ausgelassen um ihre große Heldin. »Die Simone ist eben eine, die sich was traut«, meint eine Freundin anerkennend. Ihr Vater, der die Szene verfolgt, steht abseits. Stumm betrachtet er seine Tochter. Die Vorstellung, dass
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